Der plakatierte Kampf gegen den Übermut der Starken

Die Welt, 11.03.2018
Von Christiane Hoffmans

Staecks Provokationen sind vielschichtig und trafen oftmals den Nerv der Zeit

Klaus Staeck mischt sich mit seinen oft provozierenden Plakaten seit fast 50 Jahren in die Politik ein. Damit hat er sich auch Feinde gemacht. In Essen ist nun zu sehen, dass aktuell seine Werke heute noch sind.

Grobe Sandsäcke stapeln sich auf dem Terrazzoboden im Museum Folkwang Essen. „Sand fürs Getriebe“ erklärt eine Aufschrift den Haufen. Diese Säcke wurden nicht deponiert zum Schutz gegen Wasserfluten. Sie fordern auf, Unwucht in das politische Getriebe zu bringen und, wie Günter Eich in seinem Gedicht „Sand im Getriebe“ schreibt, „Nicht zu schlafen, während die Ordner der Welt geschäftig sind“.
Den grobkörnigen Aufruf hat sich Klaus Staeck ausgedacht. Staeck ist einer der bekanntesten deutschen Polit-Künstler. Mit seinen spitz formulierten und pointiert dargestellten Plakaten und Objekten schaltet er sich seit Ende der 60er-Jahre in politische Debatten ein. Arbeiterrechte, Umweltschutz, Menschenrechte, Demokratiemissbrauch, Ausländerfeindlichkeit, Frauenfragen und Nationalsozialismus sind die Themen, die der Künstler und Verleger im Blick hat.
Dass Staeck mit seinen Arbeiten die Debatten der Bundesrepublik maßgeblich geprägt hat, ist eine weit verbreitete Meinung. Aber stimmt das auch?
Kunst für Schwache
Die Ausstellung „Klaus Staeck. Sand fürs Getriebe“ im Museum Folkwang kann da Auskunft geben, denn die Kuratoren der Schau haben sich die Aufgabe gestellt, einen Überblick über das Gesamtwerk des Künstlers zu geben. Das ist kein einfaches Unterfangen, schließlich gestaltete Staeck in den vergangenen fünf Jahrzehnten rund 400 Plakate.
In Essen hat man die einfachste Lösung gewählt und geht chronologisch vor. Dadurch erfährt man, dass Staeck seine Laufbahn nicht als Aktivist begonnen hat. Wie viele Künstlerinnen und Künstler dieser Generation kreiste seine Ideenwelt um abstrakte Formen. Sein bevorzugtes Medium war der Holzdruck. Doch die reine Kunst war nur ein kurzes Vorspiel.

Staeck machte Kunst für Schwache
Schon 1968 wurden Siebdrucke Botschafter politischer Einmischungen. Eine Arbeit aus dem Jahr 1970 lenkt den Blick auf den verheerenden Krieg der Amerikaner in Vietnam. Hierfür benutzte er als Vorbild für den Druck das Foto eines durch das Gift Agent Orange zerstörten Dschungels. Darunter steht geschrieben: „Vietnamesische Vegetation nach der Berührung mit US-Kultur“. Das Schema der Text-Bild-Botschaft, das Staecks Werk bis heute charakterisiert, war geboren. Von da an musste die Politik mit Staeck rechnen.
Der Vietnam-Krieg war jedoch nicht wie für so viele Menschen seiner Generation der Auslöser für politisches Engagement. Staecks Wunsch, den „unverschuldet Schwachen gegen den Übermut der Starken helfen“, entwickelte sich während seiner Jugend in der DDR. Aufgewachsen in Bitterfeld, wurde dem Abiturienten verwehrt, Kunstlehrer oder Architekt zu werden. Stattdessen musste er eine Maurerlehre beginnen. Staeck widersetzte sich und ging in den Westen, nach Heidelberg. Das war 1957 – also noch vor dem Bau der Berliner Mauer. Er studierte Jura und startete seine Laufbahn als bildender Künstler.

Lieber Hinweiser als Provokateur
Es war nicht allein die Kraft des Bildes, verbunden mit dem pointierten Wort, durch die Staeck wirksam in politische Debatten eingreifen konnte. Aufklärung braucht eine breite Öffentlichkeit. Das wusste schon Martin Luther, der Gutenbergs neue Technik des Buchdrucks für seine Reformations-Ideen nutzen konnte. Mit kleinen Auflagen von 100 Stück, die Staeck von den ersten Plakaten machte, konnte das nicht gelingen. Zudem waren sie mit 25 Mark zu teuer. Staeck sattelte um und druckte seine Plakate fortan im Offsetdruck-Verfahren – dem Massenmedium der vordigitalen Zeit mit zwei öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten.
Die höchste Auflage erreichte Staeck mit dem Plakat „Deutsche Arbeiter. Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!“. 75.000 Stück brachte er 1972 unter die Leute. „Deutsche Arbeiter“ war eine Reaktion auf eine Kampagne der CDU, die im Falle eines SPD-Wahlsiegs deutsche Eigenheime bedroht sah. Die Botschaft eckte an. Nicht nur die CDU fühlte sich vor den Kopf gestoßen, sondern auch die SPD, deren Mitglied Staeck seit 1960 ist. Das Wort des Provokateurs machte die Runde. Staeck selbst mag das Etikett nicht. Er bevorzugt den Titel Hinweiser. „Ich stelle einen Tatbestand bloß, der kritikwürdig ist.“ Das sahen die Protagonisten seiner Plakate anders. 41 Mal habe man versucht, seine Arbeiten juristisch zu verhindern. Legendär ist Staecks Beschäftigung mit dem damaligen CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß und dem Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl. „Freiheit statt Strauß“ vervielfältigte er im Bundestagswahlkampf 1980 – und „Bringt die Birne aus der Fassung“ skandierte er zur Bundestagswahl 1987 gegen Kohl.
Am intensivsten beschäftigte Staeck sich mit dem Klima. „Vorsicht! Trinkwasser“ zeigt eine Müllbrache. Auf „Bis der Erstickungstod uns scheidet“ ist ein Brautpaar vor qualmender Industriekulisse zu sehen.

Zu wenig Erklärung
Der Durchgang durch die Essener Schau weckt Erinnerungen an viele lebhaft und laut geführte politische Auseinandersetzungen der Bundesrepublik. Allerdings – und das ist ein gravierender Mangel der Ausstellung – gibt es so gut wie keine Informationen zu den politischen Umständen, in denen die Plakate entstanden sind. Inhalt und Kontext der meisten Werke erschließen sich nicht für Menschen, die jene Jahrzehnte nicht in Erinnerung haben oder für ausländische Besucher. Auch die Lektüre des Katalogs hilft da nicht weiter.

Was eine informativ besser bestückte Ausstellung auch für ein breiteres Publikum hätte zeigen können: Klaus Staeck hat die politische Ikonografie in Deutschland weiterentwickelt. Er hat vorgemacht, wie Kritik auf künstlerische Weise demokratisiert werden kann, und bewiesen, dass sich jeder Bürger einmischen kann.
Ist Staecks Mission damit beendet? „Nichts ist erledigt“, sagt er. Das gelte für Umweltthemen, die Gerechtigkeitsfrage, den Kampf gegen Neoliberalismus. „Du musst was tun, wenn du das, was du schätzt, erhalten willst.“ Deshalb arbeitet er immer weiter.

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