Nationaler Kulturkampf

Der erste Gedanke: Nein, nicht schon wieder über diese Partei schreiben, ihren Funktionären das Gefühl geben, man mache sie noch größer als sie sich selbst sehen. Der zweite: doch, man muss über sie schreiben, man muss erneut vor ihr warnen, wie es kürzlich auch Ulrich Khuon öffentlich getan hat. Als Theaterintendant und als Vorsitzender des Deutschen Bühnenvereins weist er auf Veränderungen im kulturpolitischen Klima hin, seit die AfD in den Landtagen und im Bundestag vertreten ist und ihr nationalistisches Leitbild für Kultur und Kunst in die bislang offene Gesellschaft tragen will.

Rabaukenhafte Störaktionen im Zuschauerraum durch aktionistische „Identitäre“ hat das Deutsche Theater schon erlebt. Solche Art Provokation durch eine rechtsradikale Jugendtruppe halten Schauspieler aus, auch wenn das Publikum verschreckt nach Hause geht. Ernster nehmen muss man den politischen Druck, mit dem die rechte Partei in die Spielpläne und Budgets eingreifen will, wenn sie mit Anfragen und Anträgen in Parlamenten und Bürgerschaften die Subventionen aus öffentlicher Hand für Kultureinrichtungen in Frage stellt.

So geschehen mit einer Anfrage des brandenburgischen Parteichefs Kalbitz an die brandenburgische Landesregierung, warum „Piccolo“, ein verdienstvolles Kinder- und Jugendtheater in Cottbus überhaupt Fördermittel erhalte. Erreicht werden soll damit vor allem Verunsicherung und Existenzangst. Wer für die AfD auffällig wird, soll sich in Zukunft überlegen, was er sagt und wofür er sich engagiert. Der Heidelberger Intendant Holger Schulze, beschreibt das System der Unterstellung durch die AfD, Leute aus der Kunst- und Theaterszene würden überwiegend linke oder linksextreme Positionen vertreten, wobei die Partei selbst auf die Instrumentalisierung der Kultur abzielte.

Doch erst Subventionen ermöglichten die in Deutschland in ihrer künstlerischen, stilistischen Vielfalt und Innovationskraft einmalige Kultur- und Theaterlandschaft, und „wer diese angreift, riskiert die Zerstörung der kulturellen Identität Deutschlands. Das ist das Widersinnige der Forderungen der AfD.“ Gefördert werden soll nur noch, was der deutschnationalen Kulturauffassung des AfD-Parteiprogramms gemäß ist. Chefideologe Höcke hat auf seiner letzten Kyffhäuser-Rede schon den Untergang beschworen, falls Museen, Theater und Orchester angesichts „fortschreitender Überfremdung“ und drohendem „Volksaustausch“ nicht rechtzeitig auf Linie gebracht werden: „Es ist nicht auszuschließen, dass in fünfzig Jahren fremde Völkerschaften durch unsere verlassenen Bibliotheken, Konzertsäle, Universitäten und Parlamentsgebäude streifen werden und sich die Frage stellen könnten: wie es möglich war, dass eine so hochstehende Kultur sich einfach aus ihnen hat hinwegfegen lassen.“

Apokalypse pur, herbeigeraunt von einem geistigen Brandstifter, dem die Gedenkstätte Buchenwald zu Recht ein fortwährendes Hausverbot erteilte, seit er die 180-Grad-Wende in der deutschen Erinnerungskultur eingefordert hat und von „dämlicher Bewältigungspolitik“ sprach. Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher in der AfD-Bundestagsfraktion, verkündete gerade erst auf einem verspäteten Neujahrsempfang: „Wir sind die eigentlichen Beschützer des Grundgesetzes!“ Die verfassungsrechtlich verbürgte Kunstfreiheit, Art.5, Abs 3 Grundgesetz, kann der eifrigste Verfechter von Subventionskürzungen nicht gemeint haben, denn es sei ihm eine Freude „die Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen“.

Die Kolumne erschien am 7.2.2019 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.

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