Traditionserlass auf dem Prüfstand

Kolumne vom 18.5.2017

Die Entdeckung rechtsextremer und vermutlich terrorverdächtiger Offiziere der Bundeswehr hat in deutschen Kasernen eine Suche nach Wehrmachtsdevotionalien ausgelöst. Kein alter Stahlhelm soll sich in Spinden und Traditionskabinetten noch sicher fühlen. Ob Helden-Fotos in den beiden verbliebenen Generalfeldmarschall-Rommel-Kasernen, die den „Wüstenfuchs“ in vollem militärischen Ornat zeigen, abgehängt werden, ist bislang nicht bekannt. Vielleicht wird nur das Hakenkreuz unterm Reichsadler wegretuschiert. Die Kaserne in Dornstadt bei Ulm erhielt 1965 den Namen des Panzergenerals, dessen „rascher Durchbruch durch die feindlichen Verteidigungslinien“ beim Überfall auf Frankreich noch heute auf der Internetseite des Standorts als militärische Glanzleistung hervorgehoben wird. Belohnt wurde die Blitzkriegstat bekanntlich mit dem Kommando über das deutsche Afrika-Korps. Die Verklärung Rommels zum Widerstandskämpfer ist ungebrochen, auch wenn nicht nur Militärhistorikern bekannt sein sollte, dass er den gescheiterten Anschlag auf Hitler mit einem „man kann Gott danken, dass es so gut abgegangen ist“, kommentiert hat.
Bleibt zu hoffen, dass die von der Verteidigungsministerin angekündigte neuerliche Diskussion über den „Traditionserlass“ der Bundeswehr die Frage nach den verbliebenen Vorbildern mit NS-Hintergrund endlich klärt. Denn ich erinnere mich gut daran, wie seit den sechziger Jahren um mehr als 70 Kasernen-Namen gestritten wurde, die aus der Wehrmacht in zweifelhafter Kontinuität der Würdigung „zeitloser soldatischer Tugenden“ übernommen oder dutzende weitere erst noch hinzugefügt worden waren. Es war ein zäher Kampf, den wegen ihres Geschichtsbewusstseins oft gescholtene Bürger (auch in Uniform) über Jahre und Jahrzehnte führen mussten, um die Namen der schlimmsten Kriegsverbrecher, Antisemiten und Führerverehrer aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.
So trug eine erst 1966 benannte General-Konrad-Kaserne in Bad Reichenhall bis 2012 den Ehrennamen des besonders hitlertreuen Kriegers, der ganze Ortschaften auf der Krim gemeinsam mit SS- und Polizeiführern im Partisanenkampf ausradieren ließ. Als sich im Mai 1953 in München zehntausend Gebirgsjäger zum „Tag der Treue“ trafen, träumten die von Konrad geführten Veteranen schon von der „neuen Wehrmacht“. In der neuen Schale sollten die „gleichen Männer, die alten Soldaten stecken, die einst Kraft und Ruhm  des deutschen Heeres und Stolz des deutschen Volkes waren“, zitiert der Militärhistoriker Jakob Knab den Repräsentanten des Vernichtungskrieges und Besatzungsterrors.
Es war ein hartes Stück Arbeit, aus einer Bundeswehr der alten Generale von der Art Speidels und Heusingers den Geist der Wehrmacht auszutreiben, und selbst Verteidigungsminister Hans Apel konnte 1982 mit einem erneuerten Traditionserlass zwar guten Willen aber wenig Wirkung zeigen, obwohl dort eindeutig zu lesen war: „Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen.“ Erst in den letzten fünf Jahren ist es nicht zuletzt dank grüner und linker Hartnäckigkeit im Bundestag gelungen, weitere braune Flecken der Kasernennamen zu tilgen. Die Schließung von Standorten im Rahmen der Bundeswehrreform tat ein übriges.
Was aber jetzt, 2017, in den Köpfen junger Rechtsradikaler vorgeht, die es bis zum Bundeswehroffizier gebracht haben, darüber kann kein Traditionserlass verfügen. Hier darf kein Korpsgeist Fakten verschleiern und MAD-Mitarbeiter sollten ihren Job ernster nehmen.

Die Kolumne erschien zeitgleich in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.

 

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