Unamerikanische Umtriebe

Kolumne vom 9.2.2017

Vor 70 Jahren konnte es in den USA schon einmal richtig ungemütlich werden, wenn jemand „unamerikanischer Umtriebe“ verdächtigt wurde. Ein Gremium im Repräsentantenhaus nahm sich dieser angeblich politisch Verirrten an und machte sie kurzerhand zu Saboteuren, die mit ihrer kommunistischen Unterwanderung das amerikanische Wertesystem zum Einsturz bringen wollten. Nach einer Rede des Präsidenten Trumann begann 1947 eine regelrechte Jagd auf solche Verräter, darunter linksliberale Schriftsteller und vor allem Leute aus der Filmbranche. Der bereits vor dem Krieg gegründete Ausschuss, das „House Un-American Activitees Committee“ (HUAG), wurde wiederbelebt und zu einem beispiellosen Inquisitionsgericht, dessen Methoden sich um keinerlei Legalität im Rahmen der Verfassung scheren mussten.
Unterschieden wurde nur noch in „freundliche“ und „unfreundliche Zeugen“. Wer kooperativ war und andere denunzierte, war freundlich. Wer sich hingegen auf den Ersten Zusatz zur Amerikanischen Verfassung berief, der Rede- und Meinungsfreiheit garantiert, und die Frage nach einer Parteizugehörigkeit als verfassungswidrig ablehnte, riskierte wegen seiner Unfreundlichkeit und der „Missachtung des Kongresses“ ein Jahr Haft. Die einen kehrten zurück in die Hollywoodstudios, die anderen landeten nach dem Gefängnisaufenthalt im wirtschaftlichen Aus. Auch Bertolt Brecht wurde im sechsten Jahr seines Exils in Kalifornien als „unfreundlicher Zeuge“ vorgeladen, beantwortete alle Fragen nach einer Parteimitgliedschaft mit nein, und die Vorhaltungen auf sein kommunistisches Stück „Die Maßnahme“ mit dem Verweis auf ein japanisches Vorbild. Er gab zu, dass die Grundlage seiner Stücke marxistisch sei und dass er mit den Eisler-Brüdern immer über nichts anderes als über Politik geredet habe. „Ein abstruser Brechtscher Vorgang, weil man ihn so nicht der Lüge überführen konnte – das Komitee konnte mit dem Mann nichts mehr anfangen und schickte ihn weg. Auf Eislers Rat flog er noch in der selben Nacht nach Zürich“, schrieb Hans Bunge in seinen Anmerkungen zu den Gesprächen mit Hanns Eisler. Später notierte Brecht, dass sich jetzt „…die besieger des faschismus als faschisten zu erkennen geben.“
Parallel zum Wirken des Ausschusses des Repräsentantenhauses wollte der FBI-Chef John Edgar Hoover mit seinen Nachstellungen jegliche intellektuelle und politische Freiheit der USA vergiften. Und als dritter im Bunde kam Senator McCarthy zum Zuge, dessen Aufstieg ebenfalls vor genau 70 Jahren begann. Sein Ständiger Untersuchungsausschuss zur Aufdeckung der kommunistischen Unterwanderung der US-Gesellschaft führte fast täglich Anhörungen durch, die Gerichtsverhandlungen glichen, ohne jedoch die Rechte der Angeklagten zu respektieren. McCarthy überzog das Land mit seinen geradezu wahnhaften Verschwörungsphantasien, die in der irren Aussage gipfelten, seit 1933 hätten die demokratischen Präsidenten 20 Jahre lang nichts als Hochverrat betrieben.
In der jungen Bundesrepublik machte er sich auch damit einen Namen, dass er Mitarbeiter in die Amerika-Häuser schickte, um die Werke von 75 amerikanischen Autoren – alle angeblich Kommunisten – aus den Bibliotheken zu entfernen. Aber die Macht im Staate hatte damals wie heute die Medien nicht im Griff, weshalb dieser fürsorgliche Umgang mit US-Literatur als „Bücherverbrennungsmission“ und als heilloses PR-Desaster verunglimpft wurde.
Die amerikanische Demokratie hat Hoover, McCarthy und die HUAG überlebt. Das lässt hoffen.

Am 9.2.2017 erschien die Kolumne von Klaus Staeck in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.

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