Umwelt-Plakate

Alle reden vom Klima wir ruinieren es

Plakat, 1988

Die Zusammenarbeit mit Greenpeace in Sachen Klimaschutz-Plakate gehört zu den ganz wenigen Ausnahmen von der Regel, keine Auftragsarbeiten zu übernehmen. Im August 1988 hatte ich in eigener Regie mit dem Motiv »HOCH HÖHER HOECHST« zum ersten Mal die Hoechst AG angegriffen. Zusammen mit der Kali-Chemie in Hannover war sie zu diesem Zeitpunkt führend in der Herstellung der vollhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die die lebensnotwendige Ozonschicht schädigen. Auf meine Kosten hatte ich die Plakate an 400 Frankfurter Litfaßsäulen und an 424 Bahnhofswerbeflächen kleben lassen. Parallel wurde das Plakat in Göttingen angeschlagen, wo zur gleichen Zeit ein internationales Ozon-Symposium stattfand. Das Hessische Fernsehen wagte nicht, das Plakat im Bild zu zeigen, aus Sorge, schadenersatzpflichtig zu werden. Die Hoechst AG beließ es jedoch beim schriftlichen Protest in Form einer lauen Presseerklärung. Kern des Textes: Das Problem der Spraydosen sei »längst umfassend gelöst«. Einen Prozess vermied man aus naheliegenden Gründen, obwohl der stellvertretende Pressesprecher die Plakataussage für »eine infame Unterstellung« hielt.

Plakat, 1988

»Wir bringen die Pole zum Schmelzen« war das zweite Plakat, das sich gegen die FCKW-Produktion von Hoechst und Kali-Chemie richtete, und das erste, das in Abstimmung mit Greenpeace entstand. Anlässlich des am 7. November 1988 in Hamburg gestarteten Weltklimakongresses »Climate and Development« wurde das Motiv an allen Litfaßsäulen in der Hansestadt und in Frankfurt plakatiert, um erneut auf die drohende Klimakatastrophe hinzuweisen, an der die Hersteller von FCKW wesentlich beteiligt sind. Wenn auch das Spraydosenproblem durch umweltbewusstes Käuferverhalten in der Bundesrepublik weitgehend gelöst war, so fanden FCKW immer noch in Kühlsystemen und beim Aufschäumen von Verpackungsmaterial Verwendung. Mit einer breit angelegten Flugblattaktion unter Verwendung des Plakatmotivs, ergänzt durch ausführliche Informationen, klärte Greenpeace darüber auf, daß die FCKW in der Atmosphäre die Ozonschicht zerstören und den verhängnisvollen Treibhauseffekt im Erdklima begünstigen. In langen Gesprächen mit der Umweltschutzorganisation waren wir 1990 gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass eine abstrakte Anklage die Chemiegiganten wenig beeindrucken und sie schon gar nicht zur schnellen Einstellung ihrer FCKW-Produktion bewegen würde.

Plakat, 1988

Also entschlossen wir uns, mit einem dritten Plakat die Verantwortlichen persönlich mit Namen, Porträtfoto und Nummer ihres Diensttelefons ins Bild zu setzen. Anders als sonst nahmen wir zu erwartende juristische Auseinandersetzungen bewusst billigend in Kauf, um notfalls auf diesem Wege zu einer Klärung beizutragen.
Die bundesweite Großflächenplakataktion blieb nicht ohne Wirkung. Beide Abgebildeten, Wolfgang Hilger (Hoechst) und Cyril van Lierde (Kali-Chemie), klagten sofort getrennt vor verschiedenen Gerichten auf Unterlassung wegen Eingriffs in ihre Privatsphäre. Zu meinem Glück hatten sich die beiden Kläger nicht mich, sondern Greenpeace als Prozessgegner ausgesucht. Es war der Beginn eines neunjährigen juristischen Hürdenlaufs, der erst im Jahre 1999 durch eine abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der Meinungsfreiheit sein spätes Ende fand.
Ursprünglich hatte der Vorstandsvorsitzende von Hoechst im zweiten Anlauf vor dem Oberlandesgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung gegen Greenpeace erwirkt. Die Plakate durften zwar weiter hängen bleiben, allerdings mit der Maßgabe, dass Hilgers Konterfei überdeckt werden musste.

Hoechst-Plakat mit Greenpeace-Afkleber, 1988

Greenpeace wählte dafür folgenden Text: »ZENSIERT: Bild und Namen des Vorstandsvorsitzenden dürfen nicht gezeigt werden. Gerichtsbeschluss auf Betreiben der HOECHST AG.« Viele Klebefirmen weigerten sich allerdings, das Plakat überhaupt anzubringen.
Wieder anders reagierte beispielsweise die Deutsche Eisenbahnreklame. Sie ließ die Greenpeace-Plakate im Stuttgarter Hauptbahnhof weiß übertünchen oder überklebte sie eigenmächtig mit Bundesbahnwerbung. Nach Einschätzung von Greenpeace wurden in Stuttgart nicht viel mehr als die Hälfte der bezahlten Flächen mit den Klima-Plakaten beklebt. Ein Sprecher der Deutschen-Städte Reklame in Kassel bestätigte, dass Hoechst »ein Bußgeld in Höhe von mehreren hunderttausend Mark« angedroht hatte, wenn die Plakate nicht innerhalb von 24 Stunden entfernt würden.
Das seltsame Katz und Mausspiel sorgte anfangs für eine zusätzliche Publizität der Aktion durch zahlreiche Berichte in den Medien. Das Ziel, die für Umweltschäden direkt Verantwortlichen aus der Anonymität zu holen, war jedenfalls erreicht worden. Schon die Vorgerichte hatten festgestellt: Die Vorstandsvorsitzenden der Chemiekonzerne sind Personen des Zeitgeschehens, und der Greenpeaceprotest ist ein »wichtiger Beitrag zur Diskussion in der Gesellschaft«.
Noch deutlicher wurde der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 1993 (1 I3vR 2126/93), die vom Bundesverfassungsgericht 1999 bestätigt wurde. Porträtfoto und Namensnennung hätten bewusst eine Wirkungssteigerung der Plakataussage erreichen sollen. Die Angriffe hätten sich jedoch nicht gegen die Manager als Privatpersonen gerichtet, sondern sie in ihrer Eigenschaft als verantwortliche Entscheidungsträger für die FCKW-Produktion und deren Folgen angegriffen. So müssten befürchtete Aggressionen in Grenzen in Kauf genommen werden, wenn die Meinungsfreiheit in der geistigen Auseinandersetzung um solche existentiellen Fragen wie den Schutz des Klimas Geltung haben solle.
Als Entscheidungsträger könnten sie deshalb eine solche Kritik nicht durch die Berufung auf ihre Privatsphäre unterbinden, auch wenn sie massiv sei. Die Manager seien nicht in ihrer Menschenwürde tangiert, da »insgesamt der Sachbezug für das Plakat bestimmend bleibt«. »Allein die FCKW-Produktion ist das Thema des Plakats.«

Demonstration gegen das Hoechst-Urteil in Darmstadt, 1988, Foto Jürgen Schmidt

Bei einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz und der Meinungsfreiheit hat sich der BGH für den Vorrang der Meinungsfreiheit entschieden, da das Thema des Plakats »eine Frage von herausragender umweltpolitischer Bedeutung« sei: »Die Personalisierung des Angriffs habe die Wirkung der Meinungsäußerung verstärken sollen. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe, trete die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurück. Eine unzulässige Prangerwirkung gehe von dem Plakat nicht aus.
Das Bundesverfassungsgericht bescheinigte Greenpeace, dass es mit der Plakataktion ersichtlich das Ziel verfolgt habe, »in dieser die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Druck auf Unternehmen auszuüben, welche noch FCKW produzierten«.

Zu Recht hat der BGH betont, dass sich eine Person, die sich kraft ihrer Stellung Entscheidungen von solcher Tragweite zurechnen lassen müsse, wie sie hier zur Debatte stünden, »in besonderer Weise der Kritik zu stellen habe«. Abschließend stellt auch das BVerfG fest:  »Die von dem Plakat ausgehende Persönlichkeitsbeeinträchtigung ist zwar massiv, bleibt aber sachbezogen.« Einer der längsten Prozesse endete mit einem klaren Plädoyer für die Meinungsfreiheit, der Umweltschutz wurde durch den Richterspruch gestärkt. Dieses Urteil ist über den konkreten Fall hinaus von großer Bedeutung: Es bringt den wirtschaftlich Schwachen eine gewisse Rechtssicherheit, wenn sie sich sachbezogen gegen die ökonomisch Starken auch in den Personen ihrer führenden Repräsentanten zur Wehr setzen wollen, soweit es um den Schutz allgemein verbindlicher Interessen geht.
1994 hat Greenpeace noch einmal mit einer inhaltlich ähnlichen Plakatkampagne nachgelegt. Persönlich angegriffen wurden diesmal VW-Chef Ferdinand Piëch (»Sparautos predigen, aber Spritsäufer bauen«), RWE-Chef Dietmar Kuhnt (»Ich ruiniere das Klima, weil meine Kraftwerke jährlich 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft schleudern«) sowie der Chef der Deutschen Bank Hilmar Kopper (»Deutsche Bank: 20 Milliarden für das Klima-Chaos – Alles Peanuts, Herr Kopper?«).
1995 wurde endlich die Produktion von FCKW in der Europäischen Union gesetzlich verboten. Hoechst AG und Kali-Chemie haben inzwischen die FCKW-Produktion eingestellt. Allerdings erscheinen in den Medien regelmäßig Berichte, wonach sich immer noch nicht alle Staaten an das Verbot der FCKW-Produktion halten.

Der größte Schwindel seit der Farbe Grün

Plakat/Postkarte, 1992

Mit Schreiben vom 9. Februar 1996 meldete sich bei mir per Einschreiben/ Rückschein eine zwanzigköpfige Anwaltssozietät aus Köln als Rechtsvertreterin der »Firma Duales System Deutschland für Abfallvermeidung und Sekundärrohstoffgewinnung mbH (DSD)«. Weil sich das Duale System den »Grünen Punkt« unter RL Nr. 2001 185 als Warenzeichen habe schützen lassen, hätte ich eine Rechtsverletzung begangen, da »die Verwendung und Nutzung der Kennzeichnung ›Der Grüne Punkt« nur aufgrund der Vergabe von Lizenzen an die jeweiligen Lizenznehmer in rechtswirksamer Weise erfolgen kann. Im übrigen verletzten meine Plakate und Postkarten »die persönlichkeitsrechtlichen Belange (der Firma) in einem erheblichen Ausmaß«. Die bildliche Darstellung enthalte eine ehrverletzende, herabwürdigende Kritik. Nach der Aufzählung der für Schadensersatzansprüche in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen folgte das übliche Verlangen nach einer »strafbewehrten Unterlassungserklärung« innerhalb sieben Tagen. Eine kurze Frist in Anbetracht der Tatsache, dass mein Plakat zu diesem Zeitpunkt bereits vier Jahre im Umlauf war.
Da die Kollegen Anwälte von einem stolzen Streitwert von DM 200.000, ausgingen, lag der Aufforderung gleich eine Gebührenrechnung über die Summe von DM 3225,75 bei. Dieser Betrag wäre sofort fällig gewesen, wenn ich die beigefügte Unterlassungserklärung unterzeichnet hätte. Die besondere Pikanterie dieses Falles lag darin, dass die Erklärungsfrist ausgerechnet in die »drei tollen Tage« des Kölner Karnevals fiel. Mein ständiger Anwalt Helmut Neumann aus dem benachbarten Bonn hatte deshalb große Mühe, die notwendigen Abwehrmaßnahmen termingerecht zu koordinieren, vor allem den zuständigen Richter zu ermitteln, um eine Schutzschrift einreichen zu können, damit die angedrohte einstweilige Verfügung wenigstens nicht ohne eine mündliche Verhandlung ergehen konnte.
Denn auch in dieser Auseinandersetzung fühlte ich mich sicher auf der Seite derer, die sich im Besitz der besseren Argumente wähnen. Vorsorglich hatte ich über die Jahre zahlreiche Belege von scharfen Angriffen gegen das System »Grüner Punkt« gesammelt. Die galt es nun in der erwähnten Schutzschrift dem Gericht vorzutragen, um zu beweisen, dass mein pointiert scharfes Urteil inhaltlich von vielen Fachleuten bereits in aller Öffentlichkeit geteilt wird. Denn die einschlägige Verpackungsverordnung war nicht nur nach meiner Überzeugung von Beginn an ein Placebogesetz, um die mildeste Form der Kritik zu wählen. Zur gleichen Zeit war durch ein neues Gutachten bestätigt worden, dass die vom DSD praktizierte Verbrennung von Kunststoffen in Hochöfen eben keine »stoffliche Verwertung« ist, wie von der Verpackungsverordnung verbindlich vorgeschrieben.
Alle Wohlstandsgesellschaften kämpfen mit den Folgen des Verpackungswahns, der immer absonderlichere Ausmaße annimmt. Ziel jedes gesetzgeberischen Handelns müssen deshalb Müllvermeidung und Müllverwertung soweit möglich sein. Insoweit hat das Duale System weitgehend versagt. Die Verpackungsflut wurde keineswegs gestoppt, die Dosenlawine rollt ungebremst weiter, und die versprochene Wiederverwertung hält sich in bescheidenen Grenzen.
Deshalb stellen inzwischen auch immer mehr Kommunen die Zusammenarbeit mit diesem teuren System in Frage, bei dem der Verbraucher gleich zweimal zur Kasse gebeten wird: einmal bei dem Erwerb des Produkts und ein zweites Mal bei den Müllgebühren.  Trotz Karneval gelang es schließlich, die Schutzschrift dem zuständigen Richter beim Landgericht Köln zur Entscheidung vorzulegen. Wie sich später herausstellte, hatte das DSD gleich zwei Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt.
Um mich in meinem Streit inhaltlich zu unterstützen, hatte der amtierende baden-württembergische Umweltminister Harald B. Schaefer in seinem Stuttgarter Ministerium eine gemeinsame Pressekonferenz mit mir angekündigt. Dazu kam es nicht mehr, weil das Duale System plötzlich und unerwartet seine Anträge wieder zurückzog. Ob die Kehrtwendung auf diese ministerielle Schützenhilfe zurückzuführen war, ließ sich zwar vermuten, aber nicht beweisen. Fest steht jedoch, dass Öffentlichkeit allemal der beste Schutz ist im Streit mit mächtigen Interessenvertretern.
Nur am Rande sei noch vermerkt, dass sich in dem Schriftsatz der gegnerischen Anwälte. in dem sie die Rücknahme der Anträge auf einstweilige Verfügung bestätigen, der kuriose Satz befindet: »Die Behauptung, das Unternehmen meiner Mandantin betreibe ‚den größten Schwindel seit der Farbe Grün’, beinhaltet den Vorwurf, es habe seit der Farbe Grün, also seit Menschengedenken, keinen größeren Schwindel gegeben.« Diese Unterstellung konnte ich leichten Herzens zurückweisen. Als so einmalig wollte ich den Schwindel des DSD in der Tat nicht einordnen.
Das DSD – Monopolist seit 1991 mit einem Jahresvolumen von 4 Milliarden Mark –  ist aus den negativen Schlagzeilen nie herausgekommen. So deckte das ZDF in einer Fernsehsendung am 6. Juni 1999 auf, dass auch willfährige Journalisten auf den Gehaltslisten des Dualen Systems stehen. Mit deren Hilfe lanciere der »Grüne Punkt« seine Erfolgsmeldungen, verhindere eine kritische Berichterstattung und greife Konkurrenten an. Für käufliche »Journalisten« stehe ein Millionenbetrag zur Verfügung.

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