Die Konflikte haben nie aufgehört
L’Art pour l’Art – Kunst, die um sich selbst kreist, sich selbst genügt – war nie mein Thema. Kunst, die sich auf das Leben einlässt, Stellung bezieht, sich politisch einmischt, lebt allerdings gelegentlich gefährlich. Der Spagat zwischen Kunst und Politik führt meist über vermintes Gelände, und dabei gibt es keinen wie auch immer gearteten Versicherungsschutz. Nur das Vertrauen in die Richtigkeit und Notwendigkeit der eigenen Arbeit und das Bewusstsein, auch für andere etwas zu tun, die sich nicht zu Wort melden und zur Wehr setzen können, verschaffen eine gewisse Sicherheit. Dahinter verbirgt sich die kühne Erwartung, sich im Ernstfall auf die Solidarität anderer verlassen zu können, sollte es wirklich einmal hart auf hart kommen.
Ich werde immer wieder als Einzelkämpfer »gegen alles Miese und Fiese« charakterisiert. Das stimmt nur zum Teil. Natürlich trägt man allein das volle Risiko für die eigenen Aktivitäten. Meine Art der Einmischung in gesellschaftliche Angelegenheiten ist jedoch nie ein Egotrip eines von seinen Weltbeglückungsideen Getriebenen. Was mich treibt, ist höchstens der verwegene Glaube an die Vernunft und die Überzeugung, dass die Aufklärung entgegen vieler Behauptungen kein Auslaufmodell, sondern notwendiger denn je ist. Ich habe mich stets als Teil jener unbeirrbaren, oft belächelten Schar von Menschen empfunden, die etwas bewegen, Mißstände aufdecken und mithelfen wollen, sie zu überwinden.
Konflikte und auch Mißverständnisse scheinen auf diesem Wege vorprogrammiert. Es beginnt schon damit, daß viele Mitmenschen Kritik an veränderungsbedürftigen Zuständen und Verhältnissen bereits als anstößig empfinden, oft sogar als zerstörerisch. Dabei gehört es zu den Binsenweisheiten, dass Kritik das Salz in der Suppe der Demokratie ist. Kritik bringt eine Gesellschaft in der Regel voran, ohne sie herrscht Stillstand und Erstarrung. In allen Diktaturen kann man dieses Phänomen anschaulich besichtigen. Und wenn mich wieder jemand fragt, wo denn das Positive in meiner Arbeit bliebe, antworte ich oft mit dem etwas blumigen Titel, den Rudij Bergmann 1994 seinem Fernsehfilm über mich gab: »Ich stelle bloß. Ich stelle klar. Ich stelle richtig.«
Schon immer sahen alle Verdrängungskünstler in mir ihren natürlichen Gegner. Auch das Heer der Opportunisten, das in Zeiten verstärkten Entscheidungsdrucks stetig anschwillt, hat mir seit jeher jegliches Wohlwollen verweigert. »Nur wer sich ändert, bleibt sich treu«, diesen an sich ehrenwerten Satz hört man neuerdings häufiger von Vertretern dieser geschmeidigen Gruppe. Oft sind es die Weggefährten von einst, die übelnehmen, daß da immer noch einer die Fahne der Veränderung im Gegenwind hochhält und weder in die süße Melancholie abgetaucht noch in die Resignation geflüchtet ist.
Unmöglich, hier alle Ereignisse zu erwähnen, die in den vergangenen mehr als dreißig Jahren zu ernsthaften Auseinandersetzungen führten. Im Katalog der Ausstellung »Rückblick in Sachen Kunst und Politik«, die 1978 im Frankfurter Kunstverein startete, sind allein für das Jahr 1976 hundertsiebenundfünfzig und für 1977 sechzig Zwischenfälle beschrieben, die weit über alltägliche Streitereien hinausgehen. Zwar sind die Zahl und die Intensität der Angriffe im Laufe der Zeit etwas zurückgegangen. Viele Angreifer gehen heute jedoch subtiler vor, denn auch der Gegner lernt hin und wieder dazu. Viele Zwischenfälle werden zudem nicht mehr öffentlich in einer Medienlandschaft, die fast nur noch nach dem verschärften News-Prinzip verfährt und gesellschaftliches Engagement eher denunziert als unterstützt.