Vollgas für den Klimaschutz

(1. Kolumne, 3. Mai  2007)

Über all den Horrormeldungen von den vielen Klimagipfeln gingen die guten Nachrichten fast unter. „Endlich mal volltanken, ohne beim Blick auf die Preistafel schlechte Laune zu bekommen.“ Und das ganz ohne schlechtes Gewissen gegenüber der Umwelt. „BILD macht’s möglich“.

„100.000 Liter Sprit zu gewinnen“ und „Rettet unsere Erde“. Zwei Kampagnen, die kein Gegensatz sind für das laut Kai Diekmann,  „bundesweite Leitmedium“, welches gewohnt ist,  mit gespaltener Zunge zu reden. Schließlich sollen rund 12 Millionen BILD-Leser in Ruhe Autofahren und beruhigt das Klima retten dürfen. 

Und das können sie jetzt auch. Dank Greenpeace, BUND und WWF, den frisch angeworbenen Partnern der Klimaschutzaktion aus der BILD-Chefetage. Dass dort Aktionen wie „Ökosteuer? Ich hup Euch was“ erdacht und andere Attacken gegen die „Ökos“ geritten wurden, kratzt die Spitzen der Umweltverbände kaum noch. Schwamm drüber! Jetzt geht’s ums große Ganze! „Wir passen zusammen. Wir haben die Kontakte, die haben die Informationen und die nötige Glaubwürdigkeit“, freute sich ein knallhart kalkulierender „Agendasetter“ aus der noch Hamburger BILD-Zentrale über das ungleiche Klimagespann. 

Der Umwelt mag der gemeinsam ausgelobte CO²-Spar-Wettbewerb mit Hauptgewinn vielleicht sogar ein wenig zugute kommen. Dem Image der BILD-Zeitung bestimmt. Doch um den Meinungswandel der Umweltlobby sollte man sich ebenso Sorgen machen wie um den Klimawandel. Wer wie Greenpeace glaubt, allein die Reichweite einer Aktion zähle, hat die Rechnung ohne seinen ökologischen Verstand gemacht. Wer bei BILD „1000-Liter Gratis-Benzin“ gewinnen möchte und es auf Spritztouren in die Atmosphäre bläst, bei dem werden wohl auch die umweltrelevanten Tipps zwischen Autotests und Benzinpreisschelte ganz schnell verpuffen. Zumal wenn es sich um Ratschläge handelt, die „dem Lebensstil nicht wehtun“ sollen, wie Greenpeace die Kuschelkommunikation verkauft. Naiver geht’s nimmer.

„Greenpeace bleibt, wie es immer war – glaubwürdig und unbestechlich“, hieß es in der Presseerklärung zum Flirt mit dem Massenblatt. Immerhin: Der Rechtfertigungsreflex ist noch aktiv. Auch wenn er mittlerweile antrainiert ist und die aufmüpfige Klientel besänftigen soll. Seitdem Lidl außer der zynischen Klatsch-Postille nun auch das hochglänzende Greenpeace-Magazin an der Kasse anbieten darf, sind die kritischen Anhänger Kummer gewohnt. Hatten doch engagierte Regenbogenkämpfer den Billig-Discounter erst 2005 wegen der „maximalen Pestizidbelastung“ ihrer Produkte abgemahnt.

In diesen taktischen Bündnissen kann nur eine Seite gewinnen. Und das ist jene, die Glaubwürdigkeit benötigt und nicht die, die sie für eine vermeintlich größere Publicity verschleudert. Drei renommierte Umweltschutzorganisationen pokern derzeit mit dem größten Kapital, das sie besitzen. In der Hoffnung, „potentielle Mitkämpfer“ für den Klimaschutz zu gewinnen. Doch dabei verspielen sie ihren Kredit bei denen, die es damit wirklich ernst meinen. Und auch mal fragen, ob sich der Wechsel zum Ökostromanbieter mit dem Kauf eines 240 PS starken „Spaßautos“ wirklich verträgt.   

„Bild bleibt Bild und Greenpeace bleibt Greenpeace“, beschwichtigt die Geschäftsführerin ihre verstörten Mitglieder. Bild wird Bild bleiben, keine Frage. Doch Greenpeace, BUND und WWF sind schon jetzt nicht mehr das, was sie einmal waren. Dort herrschen jetzt Widerspruch und Beliebigkeit, wo einmal Klarheit und Prinzipien zu Hause waren.

Die Kolumne erschien am 3. Mai 2007 in der Berliner Zeitung.

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