„Großangriff aufs Medien-Kartell“

Kolumne vom 21.09.2023

Meine berufliche Vergangenheit, mit satirischen Plakaten und Postkarten für die Bewahrung demokratischer Grundrechte und gegen Umweltzerstörung zu kämpfen, hat mir nicht nur Freunde sondern auch einige Prozesse eingebracht. Gelegentlich drohten auch Verbote. Doch kein Verbot eines Plakatmotivs hätte mich je davon abgebracht, ein Thema fallen zu lassen oder es verharmlosend freundlicher unter die Leute zu bringen. Ich will damit sagen: Verbote bringen nichts.

Auch ein Verbot der AfD, bundes- oder landesweit, würde den skandalösen Zuspruch potentieller Wähler, wie er gerade erst in Brandenburg in Umfragen ermittelt wurde, nicht eindämmen. Da hat sich ein Furor des Unmutes unter Otto-Normalbürgern aufgebaut, der die Höcke-Weidel-Chrupalla-Truppe wie ein Tornado in die Lüfte treibt. Aus Frust auf die Politik wird ein gefährliches Spiel mit der politischen Stabilität unseres Staates. Kein Verbot kann 30 Prozent der Wähler umstimmen. Da muss man zuhören, die Leute mit ihren Ängsten ernst nehmen, Argumente sammeln die nicht aus Floskeln bestehen und das demokratische System ohne Besserwisserei verteidigen.

Und man muss die Wächter der Demokratie ertüchtigen und ermutigen, ihren Job ernst zu nehmen. Fangen wir mal bei den Landesanstalten für Medien und Kommunikation an, die über die Zulassung von Sendern zu entscheiden haben. Die Baden-Württemberger Medienwächter sehen seit einigen Wochen zu, wie die Schwurbler des via Satellit ausgestrahlten Verschwörungssenders Schwarz-Rot-Gold-TV (SRGT) einen Teil ihrer besten Sendezeit im Früh- und Abendprogramm „AUF1“, einem österreichischen Partner, überlassen haben.

Mit dem Kampfspruch „Großangriff aufs Medien-Kartell: AUF1 macht Fernsehen wieder frei!“ hat sich ein Sender ohne deutsche Rundfunklizenz eingeschlichen, den das „Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands“ so bezeichnet: „eines der reichweitenstärksten rechtsextremen Medien aus Österreich, was vor allem an seiner erfolgreichen Erschließung des deutschen Desinformationsmarktes liegt“.

Was auf AfD-Parteitagen längst gefordert wurde, nämlich einen Fernsehkanal einzurichten, der den öffentlich-rechtlichen Sendern ein eigenes Propagandaprogramm entgegensetzt, ist nun aus Österreich herbeigeeilt. Der „AUF1“-Gründer und Medienunternehmer Stefan Magnet hat bereits ein Berliner Hauptstadtbüro installiert, nah an Jürgen Elsässer, weil betrieben vom ehemaligen COMPACT-Journalisten Martin Müller-Mertens. Der sucht seine Interviewpartner nicht nur in der Querdenker-Szene, unter Verschwörungsideologen und verkappten Antisemiten sondern auch mit Vorliebe bei der AfD. In einem Interview zum 17. Juni schwadronierte Höcke vom „maximalen Widerstand“ gegen das „Zerstörungswerk der Kartellparteien“. Kein Wunder, dass er diesen Sender als wichtigen Einstieg in den deutschen Medienmarkt bejubelt.

Bei der Medienbehörde KommAustria liegt derzeit kein Antrag auf Zulassung einer Sendelizenz für „AUF1“ vor. Warten nun die Baden-Württemberger Beobachter, bis sich die Europäische Regulierungsgruppe für audiovisuelle Mediendienste regt? Oder senden sie ein eigenes Signal an die schwarz-rot-goldenen Fernsehfunker, die sich mit AfD-Propaganda etwas Geld verdienen wollen?

Wie gesagt, Verbote bringen nichts. Aber wenn wir uns schon eine Aufsichts- und Lizenzanstalt leisten, dann sollte diese auch Ergebnisse über die Zulässigkeit  eines möglicherweise rechtsradikalen Parteiensenders vorlegen.

Die Kolumne erscheint am 21.09.2023 in der Frankfurter Rundschau.

Nachtrag: Alice Weidel, die Bundestagsfraktionsvorsitzende der AfD, besuchte am 19. September Herbert Kickl, den Chef der rechten FPÖ in Wien. Der Sender „AUF1“ lud beide zum Gespräch, das er am 20. September so ankündigt:

Der Deep State wird alles gegen AfD & FPÖ aufbieten!
Alice Weidel
 und Herbert Kickl sind sich im großen AUF1-Interview einig: Ehe es die patriotische Wende gibt, wird das System alles aufbieten! „Das wird ein Höllenritt“ und das Spitzelwesen wird zu Höchstformen auflaufen…

An der Seite von Roberto Saviano

Der italienische Autor kämpft seit Jahren gegen die Mafia und für die Demokratie. Dafür wird er angefeindet – unter anderem von Giorgia Meloni. Kolumne vom 24.08.2023

Seit einer Ausstellung im Teatro Massimo von Palermo, die mir 1988 das Goethe-Institut vermittelte, und wo ich dem legendären Bürgermeister Leoluca Orlando begegnet bin, hat mich dessen Kampf gegen die Mafia fasziniert. Nun hat er nach mehrfachen Amtsperioden vor einem Jahr nicht mehr kandidiert. Dass er bis zum Ruhestand am Leben blieb erscheint fast als Wunder. Richter Giovanni Falcone war dies nicht vergönnt.

Akademie-Gespräch im März 2012 mit Roberto Saviano und dem Journalisten Frank A. Meyer (Moderation). Foto Manfred Mayer

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Klaus Staeck: „Die DDR war damals natürlich auch Barbarei“

SWR Kultur, „ZEITGENOSSEN“, Sendung vom 8. Juli 2023

Klaus Staeck hat als Künstler, Grafikdesigner und auch als Jurist und Rechtsanwalt viel bewegt. Seine politischen und zeitkritischen Parolen auf Plakaten und Postkarten regen bis heute zur Gegenkritik und zum Nachdenken an. Sie beschäftigten oft die Gerichte und hingen in vielen Studentenbuden. Als SPD-Mitglied war Staeck auch politisch aktiv, etwa als Mitglied im Kultursenat von Sachsen-Anhalt. Von 2006 bis 2015 amtierte er als Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Staeck lebt in Heidelberg, wo er zu seinem 85. Geburtstag mit der Ausstellung „Satire vor Gericht“ geehrt wurde.

Nachhaltigkeit von Racing-Trucks

Kolumne vom 27.07.2023

„Zurückdrehen läßt sich die weltweite Temperatursteigerung nicht mehr. Und wenn wir nicht weltweit schleunigst mit neuen Technologien den Treibhausgas-Ausstoß reduzieren, werden wir in unseren Breitengraden über Temperaturen nahe 40 Grad bald nicht mehr reden müssen,“ hörte ich kürzlich, noch vor dem großen südeuropäischen Hitzeausbruch, Mojib Latif sagen. Der Kieler Klimaexperte weist immer wieder mit stoischer Dringlichkeit und Argumentationskraft darauf hin, dass allein mit Absichtserklärungen und nur nationalen Anstrengungen das Ziel der weltweiten Temperaturbegrenzung nicht erreicht werden kann. Denn die globale Erwärmung läßt sich eben nur durch bewußtes Handeln der Menschen im Zaum halten.

„Tendenz steigend“, Plakat/Postkarte, 1995

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Wahl gegen „die da oben“

Wenn die Dinge der Daseinsvorsorge aus dem Umkreis verschwinden, erscheint das als Versagen der Demokratie. Die AfD beutet dieses Gefühl populistisch aus. Kolumne vom 29.06.2023

Das Stück Thüringer Land rings um Sonneberg, in der Fläche halb so groß wie Berlin, fand dieser Tage so viel mediale Aufmerksamkeit, als handelte es sich um die Hauptstadt selbst. Das war nicht verwunderlich, weil mit der Wahl des ersten AfD-Landrates ein Dammbruch in der bundesdeutschen Demokratie drohte.

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Vor 70 Jahren – Erinnerungen an den 17. Juni 1953 in Bitterfeld

Klaus Staeck nach der Gedenkveranstaltung zum 17. Juni am Denkmal des Bitterfelder Aufstandes im Gespräch mit Oberbürgermeister Armin Schenk.

Paul Werner Wagner im Zeitzeugen-Gespräch mit Klaus Staeck während des Symposiums im Industrie- und Filmmuseum Wolfen

Welche Rolle spielte der Protest der Arbeiter von Bitterfeld und Wolfen vor 70 Jahren im Rahmen des Volksaufstandes des 17. Juni? Dieser Frage widmete sich ein Symposium, zu dem die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und die Friedrich-Ebert-Stiftung in das Wolfener Industrie- und Filmmuseum eingeladen hatten. Dem Kurator und Journalisten Paul Werner Wagner gelang es, eine Reihe von Experten, darunter Historiker, Kulturwissenschaftler, Publizisten, zusammenzubringen, die belegten, dass Streiks und Aufruhr das gesamte Land und nicht nur Ost-Berlin erfaßt hatten. Besonders gewürdigt wurde der Anteil des Elektromonteurs Paul Othma. Ihm war es wesentlich zu verdanken, dass die Demonstrationen, die zur Bitterfelder Festwiese am heutigen Robert-Schumann-Platz führten, friedlich und ohne Ausschreitungen blieben. Das Symposium endete mit einer beeindruckenden Lesung des aus Halle stammenden Schauspielers Michael Kind, der Briefe aus dem Gefängnis vortrug, die Othmar in mehr als zwölfjähriger Haft ohne Aussicht auf Begnadigung schrieb.