Kolumne vom 07.06.2007
Klimawandel stoppen, Erde retten: „Es ist ganz einfach!“ verspricht uns BILD.
Mitte April hat sich die Zeitung, die bis vor ein paar Tagen 100-mal 1000 Liter Gratis-Benzin verlost hat („Volltanken ohne zu bezahlen“), mit Greenpeace, dem Bund für Umwelt und Naturschutz und den Tierschützern vom WWF zusammengetan, um ihr Rettungswerk zu beginnen. Für den deutschen Haushalt heißt das (wenn die gewonnenen 1000 Liter Gratis-Benzin verdüst sind), die Kühlschranktür nur noch kurz öffnen, auf die elektrische Zahnbürste verzichten, Wäsche auf der Leine statt elektrisch trocknen – alles vernünftig, zweifellos – und in die BILD-Tabelle eintragen, wie viel Kilo CO2 eingespart wurden. Für die Tabelle muß ich zwar jeden Tag eine BILD-Zeitung kaufen, aber das macht ja nichts. Ist ja für einen guten Zweck. Sie merken schon, mir, dem alten BILD-Kritiker, droht das Pulver naß zu werden, wenn so viel grüne Farbe zum gewohnten Rot und Schwarz hinzukommt. Wir sollen an die neue nationale Umwelt-Bewußtseinswelle glauben und gefälligst unsere alten Vorbehalte gegen die zynischste Variante des deutschen Boulevardjournalismus vergessen. Natürlich bin ich dafür, das Licht zu löschen, wenn kein Mensch sich in einem Raum aufhält. Aber auf Empfehlung der Umweltverbände auch noch BILD-gerecht das Hirn auszuschalten und der Logik zu folgen, wonach 12 Millionen nicht anders zu erreichen und zu mobilisieren seien, das geht mir doch zu weit. Zu Ende gedacht heißt das, die Erde wird endgültig gerettet um den Preis von vier Milliarden BILD-Lesern. Wollen wir es soweit kommen lassen?
Was kann man aus einer solchen Kampagne lernen? BILD hat einen besseren Riecher für die gesellschaftlichen Trends als die Chefs der Umweltverbände für einen anrüchigen Deal, der ihre Reputation anhaltend beschädigen wird. Denn darum geht es. Florian von Heintze aus der Chefredaktion wurde so zitiert: „Wir haben die Kontakte, die haben die Information und die nötige Glaubwürdigkeit.“
Daß ausgerechnet BUND, WWF und Greenpeace einmal antreten würden, um BILD genau bei diesem Problem zu helfen, dass wäre selbst einem Satiriker nur in einer sehr schwachen Stunde eingefallen.
Diekmann, der sein Blatt schon die „gedruckte Barrikade der Straße“ und eine wahre „Volkszeitung“ genannt hat, wendet sich nun auch jenen Volksmassen zu, die eher kritisch einer ungehemmten Konsumideologie und „freie-Fahrt-für-freie-Bürger“-Mentalität entgegentreten. BILD ist auf dem besten Wege, Zentralorgan zu werden. Nur noch die Klimakatastrophe kann uns davor retten.
Die Kolumne erschien am 07.06.2007 in der Berliner Zeitung.