Kunst und Hirnwäsche

Kolumne Juli 2007

Zu Tom Cruise und Scientologie scheint alles gesagt. Geklärt ist nichts. Der Typ ist schon ein Teufelskerl. Das hat er seinen Fans und Freunden in vielen Rollen bewiesen. Beruflich wie privat. Wer so verführerisch lächelt, kann doch wirklich nichts Böses im Schilde führen. Auch die um die Weltherrschaft ringenden Scientologen wissen das Good Guy-Image ihres prominentesten Fürsprechers schließlich  zu schätzen.

Der professionelle Charme des Hollywood-Mimen ist ja auch einfach entwaffnend. So entwaffnend, dass die Feuilletonisten in diesem Land bereits vor seiner Doppelrolle als Schauspieler und Missionar kapituliert haben. Kaum einer von ihnen kann sich mittlerweile ein besseres Stauffenberg-Double vorstellen. Wer sollte die antitotalitäre Botschaft des Hitler-Attentäters auch glaubwürdiger in die Welt hinausposaunen als der bekennende und bekehrende Star-Scientologe.       

Als hochrangiger Sektenpromotor kennt sich Cruise in Sachen Widerstand und Missionierung schließlich bestens aus. Ausgezeichnet mit dem sekteninternen Titel „Operierender Thetan, Stufe VII“ kämpft er seit Jahren für eine Zivilisation ohne Geisteskranke, Verbrecher und  Drogen bei gleichzeitiger Bewusstseinserweiterung durch „klärende“ Gespräche. Diese Psychoplauschs führt der umschwärmte Adept gerne auch mal am Set, wo er Filmpartner und Journalisten darüber aufklärt, dass allein mit seinem Glauben die „Erde in Ordnung zu bringen“ sei. Dass im Namen dieser „wissenschaftlichen Weltanschauung“ Novizen kräftig das Gehirn gewaschen, Kritikern der Mund gestopft und dubiose Geschäfte gemacht werden, hört Cruise gar nicht gerne. Da gerät der flammende Prophet schon mal in Rage und wettert gegen die Intoleranz deutscher Verfassungsschützer. Schließlich versteht sich die Scientology Church als ehrenwerte Religion und Religion ist bekanntlich reine Privatsache. Wer’s glaubt.

Genau dieser Irrglauben spukt nun schon wochenlang in den Köpfen all jener, die sich als Verteidiger der Religions- und Kunstfreiheit heldenhaft in Stellung bringen. Ein labiles Bollwerk, das nicht nur unter der Last der menschenverachtenden Machenschaften des „Systems Scientology“ zusammenbrechen muss. Dass die selbsternannte „Kirche“ eine Diktatur anstrebt und laut Gerichtsurteil keine „Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft“ im Sinne des Grundgesetzes ist, stellt für viele Intellektuelle offenbar keinen Widerspruch dar. Wären diese gutgläubigen Demokraten konsequent, müssten sie nicht nur die künstlerische Freiheit des Stauffenberg-Darstellers verteidigen, sondern auch für die juristische Anerkennung seiner Glaubensgenossen kämpfen.  

Aber soweit muss es gar nicht mehr kommen. Die absurde Debatte hat Cruise und den Seinen mehr positive Publicity beschert, als es dem kritischen Gedenken an den 20. Juli und einer wehrhaften Demokratie gut tut. Vor kurzem prophezeite der Oscar-Regisseur von Donnersmarck in der FAZ, Cruise werde als „Übermensch“ Stauffenberg das „Ansehen Deutschlands mehr befördern als zehn Fußballweltmeisterschaften“. Wahrscheinlicher scheint mir, dass das Ansehen des Starscientologen und damit das moralische Ansehen seiner „Kirche“ befördert wird. Gut, dass die Neonazis noch nicht auf die Idee gekommen sind, Starkult zu betreiben und als Religion anerkannt zu werden. Historische Vorbilder haben sie ja.

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