Die Billig-Arbeiter

Kolumne Dezember 2007

Es gibt Dinge, von denen man glaubt, die kann es gar nicht geben. Man stelle sich vor, rund 1000 grün uniformierte Briefzusteller protestieren mit freundlicher Unterstützung ihres Arbeitsgebers, der PIN MAIL AG, vor dem Brandenburger Tor. Zu meinem großen Erstaunen stellte ich jedoch bald fest, dass die Schar der Demonstranten nicht etwa für den geplanten Mindestlohn von neun Euro im Osten und 9,80 Euro im Westen kämpft. Sondern an ihrem Hungerlohn selbst festhalten will.

Die öffentliche Erniedrigung kennt offenbar keine Grenzen mehr. Wer im Wettbewerb um den geizigsten Kunden seinen schlecht bezahlten Arbeitsplatz behalten möchte, der strampelt sich halt notgedrungen die Beine krumm. Koste es was wolle, nur nicht den Job.

Deshalb steht das von den Großverlagen Springer, Holtzbrinck und der WAZ betriebene Postdienstleistungsunternehmen PIN in meinen Augen nicht für schnelle, zuverlässige und preiswerte Briefzustellung, sondern für die bittere Botschaft „Postboten in Not“. Dass die Privaten in der Hoffnung auf kräftige „Wachstumskurse“ ihren Mitarbeitern ein ungeheuerliches Maß an Opfer- und Einsatzbereitschaft abverlangen, scheint nicht nur für viele Arbeitnehmer selbstverständlich geworden zu sein. Sondern auch für die öffentliche Verwaltung, die ihre Behördenpost fast ausschließlich von den „Billigheimern“ transportieren lässt.

Bei Bund, Ländern und Kommunen erhält ja meist der günstigste und nicht der humanste und umweltverträglichste Anbieter den Zuschlag. Liegt beispielsweise das Bahnticket auch nur wenige Euro über den Dumpingpreisen der Billigfluggesellschaften, muss laut öffentlicher Reisekostenverordnung ein Platz in der kostengünstigeren Kerosinschleuder gebucht werden. Das senkt zwar sinnvollerweise die Ausgaben der Behörden, steigert aber auch die Gewinne der Discount-Airlines. Zu Lasten des Klimas und der Flugbegleiter, die beim irischen Billigflieger „Ryanair“ längst Opfer eines gnadenlosen Preiskriegs geworden sind. Wer hier als Steward oder Stewardess anfängt, muss sogar noch draufzahlen. Für teure Schulungen, Uniformen, Bordverpflegung und letztlich mit seiner Gesundheit. Entlohnt wird dem Bordpersonal nur die reine Flugzeit. Und die liegt mit bis zu elf Stunden pro Arbeitstag weiter über dem Durchschnitt, während der Jahresurlaub von 20 Tagen weit unter dem gesetzlichen Minimum in Deutschland liegt. Wer zu diesen Konditionen nicht fliegen will, der fliegt eben aus dem Unternehmen. So geil kann Geiz die Beschäftigten treffen.        

Mit ähnlichen Sklavenverträgen wird auch das radelnde Bodenpersonal der Briefbeförderer rechnen müssen. Wenn das bundesdeutsche Briefmonopol einseitig am 1. Januar 2008 fällt, sehen nicht nur die gelben, sondern auch die andersfarbigen Postzusteller blass aus. Dann öffnet sich der deutsche Markt den Europäern, aber der europäische Markt nur in Teilen den Deutschen. Folglich werden die Mitarbeiterzahlen der Deutschen Post AG schrumpfen und die Arbeitsstunden bei den privaten Anbietern steigen. Nur wenn sich der Wettbewerb für die Dienstleister jedweder Couleur in sozial gerechten Bahnen bewegt und für gute Arbeit gutes Geld bezahlt wird, kann man wieder von einer sozialen Marktwirtschaft sprechen. Dann müssten die Pin-Leute auch nicht mehr gegen ihre eigenen Interessen handeln.

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