Kolumne Februar 2008
„An Hessen führt kein Weg vorbei“. Mit solch bescheidenen Worten wirbt die hessische Landesvertretung in Berlin für ihr blühendes Bundesland. Doch jetzt führt wohl doch ein Weg vorbei: An Hessens Regierungschef Roland Koch, der mit seinem brutalstmöglichen Wahlkampf vor einer Woche grandios gescheitert ist, mit ihm übrigens BILD, sein treuer täglicher Wahlhelfer und nicht zu vergessen Wolfgang Clement.
Aus diesem Satz spricht keine Schadenfreude, sondern die Freude darüber, dass mit dieser Niederlage die politische Vernunft am Ende dann doch noch gesiegt hat, was auch immer bei den Koalitionsverhandlungen herauskommen mag. Zwar aus Parteiräson verständlich, aber nach dem Promille-Vorsprung befremdlich, dass die CDU-Chefin jetzt den klaren Auftrag zur Regierungsbildung für Roland Koch reklamiert und nach dem Desaster behauptet, „dass die inhaltliche Ausrichtung der Wahlkämpfe absolut richtig war“.
Der Hardliner aus Hessen wird aus seinen Fehlern wohl kaum eine Lehre ziehen. Von schmutzigen „Diffamierungskampagnen“ sprachen er und seine engsten Parteifreunde kurz vor und lange nach dem Wahlkampfabend. Fragt sich nur, wer hier wen diffamiert hat. Die jugendlichen Ausländer ihn oder er die jugendlichen Ausländer. Ypsilanti, Al-Wazir und die Linke ihn oder war es doch eher umgekehrt? In wahltaktischen Schuldzuweisungen und Superlativen war Roland Koch schon immer aktiver als alle anderen. Nun ist er vorerst auf sein wahres Format geschrumpft. Wie man ihn kennt, wird er sich bald wieder mächtig aufblasen. So einer tritt nicht einfach ab.
Kochs abschreckendes Beispiel sollte die Gewinner daran erinnern, politische Probleme nicht zu instrumentalisieren, sondern sie gemeinsam und sozialverträglich zu lösen. Denn mit Hessens dominantem Ministerpräsidenten verschwinden weder Jugendkriminalität noch Bildungsmisere. Weder angehäufte Schuldenberge noch renditehungrige Heuschrecken. Mit ihm verschwindet hoffentlich ein Politikertyp, der die Macht mit fast allen Mitteln erhalten, aber nicht für alle Menschen einsetzen wollte. Genau deswegen hat die „schweigende Mehrheit“ letzten Sonntag mit ihren Stimmen für einen Wechsel votiert. Für einen Wechsel der politischen Fahrtrichtung und des politischen Stils.
Bleibt abzuwarten, ob die Parteien ihre Wähler ernst nehmen und bei den schwierigen Koalitionsverhandlungen den richtigen Ton und die richtigen Kompromisse finden. Das hätte Signalcharakter für alle kommenden Wahlen, bei denen mit ebenso unklaren Mehrheitsverhältnissen zu rechnen ist. Da die ungelösten Fragen so vielschichtig bleiben wie die möglichen Antworten darauf, darf nicht mit Patentlösungen gerechnet werden. Aber hoffentlich mit Lösungen, die aus allen jugendlichen Migranten nicht gleich Verbrecher, aus weniger gut ausgebildeten Niedriglohnempfängern keine Sozialhilfeempfänger und aus Wald und Flur keine betonierten Start- und Landebahnen machen.
Für die Gewinner von Hessen heißt das vor allem, Versprochenes einzulösen und aus der verdienten Wahlschlappe Roland Kochs das Beste zu machen, egal wie lange er sich auch noch im Siegerwahn an die Macht klammern sollte. Andrea Ypsilanti hat mit dem Slogan „Gerechtigkeit für alle“ geworben. Das ist kein populistischer Wahlkampfspruch, sondern ein politischer Auftrag, den es einzulösen gilt. Mit einer von den Berliner CDU-Granden geforderten Großen Koalition unter Koch ist diese Aufgabe jedenfalls nicht zu erfüllen. Wenigstens so viel steht in diesen Tagen fest.