Die Ängste des Herrn K.

Kolumne April 2008

„Satire darf alles“. Dieser schöne, scheinbar alles entschuldigende Satz Kurt Tucholskys wird oft zitiert, wenn der Erregungspegel über bestimmte Äußerungen und Handlungen aus dem Ruder zu laufen droht. Aber darf sie wirklich alles? Zweifel sind erlaubt.

Was ist, wenn sich übelste Demagogie, gar Hetze, besonders gegen Minderheiten, als Satire tarnt, um sich der Strafbarkeit zu entziehen? Als gerichtlich geprüfter Satiriker werde ich häufig gefragt, wie ich zu dem Urteil des Kollegen Tucholsky stehe. Dann antworte ich, jetzt ganz Jurist, erlaubt ist jede freie Meinungsäußerung, ja in der Demokratie sogar erwünscht, wenn sich dahinter keine „Schmähkritik“ verbirgt.

Wie wäre es, wenn man Tucholskys Satz analog auf Wahlkämpfer anwenden würde? Schließlich sind Wahlzeiten oft Perioden höchster Emotionen, geht es doch am Wahltag um die Wurst. Im Sinne der Demokratie sollte sich das Wahlvolk über eine Politik der Zuspitzung im Allparteienallerlei geradezu freuen. Seit aber Herr K. in Hessen mit dem Sylvesterfeuerwerk gar nicht mehr aufhören will und einen Kracher nach dem anderen zündet, kommt Unruhe auf nach dem Motto: Darf der das? Der darf das, solange er nicht durch Einstweilige Verfügungen gestoppt wird. Schließlich hat Herr K. etwas zu verlieren. Von Umfragewerten getrieben, hat er offenbar panische Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit, Angst vor der relativen. Wenn das keine mildernden Umstände rechtfertigt? Er befindet sich subjektiv am Rande eines übergesetzlichen Notstandes. Da ist Hilfe gefragt, keine Verurteilung. 

Bei aller Kuschelpädagogik, die wir Herrn K. gönnen, ist Vorsicht geboten. Der Volksmund weiß: angeschlagene Boxer sind gefährlich. Dennoch sollte sich unser Mitgefühl in Grenzen halten. Schließlich hat er mit BILD Europas größte Satirezeitung vor und hinter sich, die ihrem Affen ständig weiter Zucker geben muss.

Aber mal ehrlich, nicht alles ist schlecht, was Herr K. in die Arena schleudert. Schluss mit dem Schächten in den Palästen, Müll und Burka gehören in die Tonne. Nur die Sache mit den Lagern sollte ihm jemand ausreden. Die Deutschen haben mit solchen Einrichtungen  ihre Erfahrungen und deshalb Probleme. Etwas Nachhilfeunterricht in Sachkenntnis täte Not, auch wenn diese bei der Attacke nur stört.

Übrigens bräuchte sich Herr K. vor dem Machtverlust gar nicht so zu fürchten. Schließlich verdanken wir ihm Bleibendes. Immerhin hat er sich um die deutsche Sprache verdient gemacht, indem er dem Wort „brutalstmöglich“ im allgemeinen Sprachgebrauch ein  Heimatrecht verschafft hat. Das zählt.

Auch bei den hohen Wahlkampfkosten wurden neue Maßstäbe gesetzt. Zwei junge Schläger zur rechten Zeit mit multimedialen TV-Auftritten ersetzen ganze Agenturen. Es müssen allerdings Ausländer sein. Da kennt sich Herr K. schließlich aus. 

Es ist auch nicht verboten, aus Vorurteilen Wahlkapital zu schlagen. Früher warben die Hessen stolz mit dem Slogan „Hessen vorn“. Satire hin, Satire her, das wird sich jetzt zeigen. Jedenfalls kann man wieder zwischen Alternativen entscheiden. Deshalb blickt das Land  gebannt auf die Weisheit der hessischen Wähler. Ihre Kreuze werden darüber entscheiden, ob die alte Masche mit den ewig kriminellen Ausländern noch einmal zieht.

So wird plötzlich diese Landtagswahl auch zum Lackmustest für die Demokratie. Die FAZ behauptete kürzlich, zum Thema sei bereits alles gesagt. Mitnichten. Das letzte Wort hat der Wähler an der Urne. Die Spannung wächst.

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