Globale Geisterfahrer

Kolumne 26.10.2010

Gibt es denn niemand, der den globalen Geisterfahrer Bernie Ecclestone endlich ausbremst? Seit Jahrzehnten lässt der ehemalige Gebrauchtwagenhändler die hochgezüchteten Boliden ihre giftigen Abgase in die Atmosphäre blasen. Dabei ist er heute umtriebiger und rücksichtsloser als je zuvor. Seine Geschäfte laufen auf Hochtouren.

Gestern Südkorea, heute China, morgen Russland, übermorgen die ganze Welt. Ecclestone planiert den Erdball mit Rennstrecken und kassiert Millionen auf Kosten der Umwelt. „Wir wissen …, dass es Probleme und Katastrophen geben wird, solange es Menschen gibt. Die Welt ist okay, es sind nur die Menschen, die für Probleme sorgen“, verriet er jüngst in einem Interview. Allen voran Formel 1-Mensch Ecclestone.

Hinter dem „kleinen Diktator“ (FAZ) stehen Millionen jubelnder Zuschauer, Tausende reisehungriger Journalisten, Hunderte Sponsoren und die Raser der Autohersteller, die sich am pubertären Kreisverkehr berauschen und bereichern. Für die Motorsport-Meute ist Umweltzerstörung ein Menschenrecht. Wenn Vettel & Co. dieses Jahr fast 20 Mal um die Wette rasen, sind die TV-Glotzer zufrieden und RTL Rekordquoten sicher. Diesen makaberen PR-Effekt nutzen manche Politiker und lassen sich die Zerstörung der Innenstädte und Landschaften auch noch was kosten. Der Autokrat Putin hat dem nicht weniger autoritären Ecclestone über 40 Millionen Dollar versprochen, damit er Sotschi, einen der schönsten Kurorte am Schwarzen Meer, in eine mit Werbebannern geschmückte Asphaltwüste verwandelt.

Auch Mercedes & Co. sind wieder im Rennen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wollten sich einige der bekanntesten Marken aus dem Rennzirkus verabschieden. Von ökonomischem und ökologischem Irrwegen sprachen sie damals. Jetzt, im „besten Jahr der Automobilgeschichte“ geben sie sich dem Irrsinn wieder ungeniert hin. Für 87 Millionen Euro im Jahr hält sich die Nobelkarossenmarke aus Stuttgart ihr Weltmeister-Team. Mercedes- Rennleiter Norbert Haug leistet sich die Formel 1 nicht als „Pläsierchen“, sondern nur wegen des „Wettbewerbs“. Der kennt bekanntlich keine Grenzen. Schon gar nicht der Vernunft. 

Mit überschwänglichen Kommentaren und sensationellen Bildern halten auch die Medien die Geldmaschine am Laufen. Fast ehrfurchtsvoll bewundern sie Ecclestones gerissenes Geschäftsgebaren, abenteuerlicherweise sogar seine Bescheidenheit und geben die Formel 1 gar als „Sinnbild für ewige Jugend“ aus. Wenn überhaupt mal Kritik aufkommt, dann am schlechten Asphalt, an Nägeln auf der Piste oder an der Unterbringung hochbezahlter Fahrer in billigen Stundenhotels. Rührend sorgen sich alle um die Sicherheit und Gesundheit der Formel 1-Piloten, keiner ernsthaft um den Schutz der Natur. Umweltschutz und „Motorsport“ vertragen sich offenbar auch nicht in den meisten Medien. Während die ARD am vorletzten Sonntag den 9. Lauf der Deutschen Touring Meisterschaft live vom Hockenheimring übertrug, lief zeitgleich im Zweiten die Sendung „ZDF.umwelt: Biologische Vielfalt in Gefahr“. Ist die seltsame Doppelstrategie unverzeihliche Ahnungslosigkeit oder marktwirtschaftliches Kalkül? 

Selbst der letzte Klimaschutz-Ignorant muss mittlerweile begreifen, dass der Spaß an der automobilen Raserei keine Freude mehr für Mensch und Natur ist. Wer dauernd auf der Überholspur fährt, landet über kurz oder lang neben der Spur. Der greise Ecclestone holt niemanden aus dem Graben!

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