Kolumne 26. Oktober 2011
Die iranischen Machthaber sind eine Provokation für die zivilisierte Welt. Mit der Existenz des Mullahregimes kann sich nicht abfinden, wer von der Respektierung der Menschenrechte als international gültiger Konvention ausgeht. Aber wie begegnet man einem Staat, der seine Künstler einsperrt, Frauen auspeitschen lässt, Andersgläubige und jene, die den islamischen Glauben verlassen haben, mit dem Tode bedroht, dessen Regierungschef den Holocaust selbst vor der UNO-Vollversammlung leugnet?
Wie geht man mit einer uneingeschränkten Willkür um, die jegliche Opposition zum Schweigen bringt und dafür sorgt, dass Proteste nicht über die Landesgrenzen dringen?
Ich gehe jedenfalls davon aus, dass es sinnvoll ist, auch aus Deutschland wie aus jedem anderen Land, das die Bürgerrechte ernst nimmt, diese auch im Iran einzufordern, wenn dessen Einwohner ständig überwacht, denunziert und mit drakonischen Strafen eingeschüchtert werden.
Oder ist der Protest gegen das Urteil von sechs Jahren Haft und zwanzig Jahren Berufsverbot für den iranischen Filmemacher Jafer Panahi ein Akt der Hilflosigkeit? Ist es naiv, wenn die Akademie der Künste im fernen Berlin im Namen ihrer 400 internationalen Mitglieder das Teheraner Regime auffordert, die Vollstreckung des Folterurteils gegen eine Schauspielerin zu verhindern, Journalisten und Filmemacher nicht mit absurden Spionageprozessen zu verfolgen, nur weil sie ihrer Arbeit als Berichterstatter und Künstler nachgehen?
Erinnern wir uns daran, dass Erich Mühsam 1934 in Oranienburg bei Berlin ermordet wurde. Carl von Ossietzky schützte auch der Nobelpreis nicht – er starb 1936 an den Folgen der KZ-Haft. Zwar wurde darüber auch im Ausland berichtet, die Welt nahm die Vorgänge in Deutschland zur Kenntnis, doch zweifelte man oft an den drastischen Nachrichten von Journalisten und Exilanten, zumal dem internationalen Roten Kreuz die Konzentrationslager als harmlose Umerziehungsanstalten präsentiert wurden.
Immer wieder gleichen sich Diktaturen, wenn sie mit der Berufung auf eine Ideologie oder auf eine fundamentalistische Religion die Menschenrechte verletzen.
Einem UN-Bericht zufolge hat die Islamische Republik in diesem Jahr 200 Menschen offiziell und 146 in einem Gefängnis „heimlich“ hingerichtet. Andere Quellen zählen mehr als 500 Tote. Das von amnesty international verbreitete Foto einer Exekution von Menschen, die an den Haken von Autokränen hängen, hat sich tief in mein Bildgedächtnis eingeprägt. Ebenso die Hinrichtung des Siebzehnjährigen Makvan Molodi, weil er als Dreizehnjähriger angeblich einen Freund hatte – einer von 4000 wegen Homosexualität Getöteten, die a.i. ermittelt hat. Alles eindeutige Verstöße gegen den Zivilpakt der Vereinten Nationen, der auch vom Iran unterzeichnet wurde. Denn weder sexuelle Orientierung noch der Abfall vom Glauben berechtigen einen Staat zur Tötung per Gesetz. Doch Todesstrafe und Misshandlungen gehören zum Alltag in einer Diktatur, die als nächstes Opfer den evangelischen Pastor Yousef Nadarkhani um sein Leben bringen will, weil er vom Islam zum Christentum konvertierte.
Das Ausland blickt derzeit fixiert auf die Euro-Krise. Das kann den Mächtigen im Iran nur Recht sein, denn diese Selbstbeschäftigung hält uns davon ab zu registrieren, wie ein Staat, in dem es nach den Gesetzen der Sharia offenbar ganz normal zugeht, Menschen zugrunde richtet.
Unsere Proteste sollten endlich wieder lauter werden, unsere Sanktionen zwingender.