Kolumne 3. Januar 2012
„Wir brettern im heulenden, fauchenden, grummelnden und elefantös brüllenden 911er durch Kiesgruben mit monströsen Steigungen und voller Mondkrater, durch abgelegene Waldregionen mit kläffenden Dackeln, in denen uns jeder Förster sofort abschießen würde, und machen noch einen Ausflug an die Ostsee, in deren Nähe B. in riesigen Scheunen weitere 911er Porsche und Motocross-Motorräder eingelagert hat“.
Originalzitat als Trivialpoesie aus einem geradezu hymnischen Artikel über einen Facharzt, der sich als Hobbybastler und Gelegenheitsrennfahrer auf die Dakar-Rallye akribisch vorbereitet hat. Erschienen kurz vor Weihnachten in einer der angesehensten Wochenzeitungen unserer Autorepublik. Dabei ist bereits der Name der Tour ein Schwindel. Schon seit 2009 rasen die Geschwindigkeitsnarren nicht mehr von Paris ins senegalesische Dakar. Nicht die in Afrika angerichteten Verwüstungen, sondern die nackte Terrorangst hatte die Helden der Piste nach Südamerika flüchten lassen.
Seit dem 1.Januar jagen sie nun wieder durchs Gelände. In Argentinien gestartet führt diesmal die 8500 km lange Strecke durch Chile bis ins peruanische Lima. Den ersten Kollateralschaden gab es schon kurz nach dem Start. Ein Motorradfahrer bezahlte seine Spielsucht mit dem Leben. Neunundsechzig Opfer forderte dieser Rennzirkus bisher insgesamt. Wobei „die härteste Rallye der Welt“ zwischen Akteuren und Unbeteiligten nicht unterscheidet.
„Den Tank vollmachen und den Schlüssel ins Zündschloss! Auch 2012 pflügt Robby G. die Rallye-Pisten wieder um. Mit seinem gewaltigen Hummer geht der US-Amerikaner seit vielen Jahren an den Start, um den Gegnern das Fürchten zu lehren“ lese ich auf einer einschlägigen Homepage. Der Hummer ist übrigens eine der Ausgeburten einer durchgeknallten Geländewagenbranche, die vor allem betuchte Städter mit diesen Kampfmaschinen versorgt. Jedenfalls ist dieser Monstertruck ein besonders exklusives Spielzeug für Buben mit Potenzproblemen allgemeiner Art.
Am Neujahrstag widmete eine ebenfalls angesehene Sonntagszeitung einem Millionenerben und Rennfundi, der mit seiner Firma gleich acht Boliden für das Rennen vorbereitet hat, ein geradezu liebevoll einfühlsames Porträt. Immerhin erfahren wir aus dem Bericht, dass sich der VW-Konzern, der bei den drei letzten Rennen die Rallye beherrschte, zurückgezogen hat, um sich auf die Rallye-WM 2013 zu konzentrieren. Die Autobauer nutzen also die Auszeit nicht etwa zur Konstruktion umweltschonender Motoren, sondern zur besseren Vorbereitung auf die nächste temporäre Umweltzerstörung. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?
Wer übrigens die Jungs noch via Television LIVE bis zum Zielort brettern sehen möchte, der sitzt bei Eurosport im heimischen Sessel in der Poleposition.
Jedenfalls freue ich mich schon jetzt auf die so schön eindringlichen Warnungen vor den schlimmen Folgen des Klimawandels, der Gletscherschmelze, der Meeresverschmutzung und des Artensterbens sowieso, in den nächsten Ausgaben besagter Zeitungen. Das ist dann wieder etwas zum Gruseln der anderen Art. Aber am 15.Januar ist der Dakar-Irrsinn bereits Geschichte und so gut wie alle Medien werden die Sieger genauso feiern, wie sie anschließend die nächste Umweltkatastrophe eindringlich ausbreiten werden. Es ist die Gleichzeitigkeit in der Berichterstattung, die alles entwertet.