Tante Emma online

Kolumne 28.03.2013

Einkaufen per Mausklick. Es gibt neue Nachrichten aus dem Onlineshop. Statt A wie Amazon ist jetzt E dran, wir reden von „Emmas Enkel“ und ihrem übermächtigen Förderer Vodafone Deutschland – mit 9,6 Milliarden Euro Umsatz nach eigener Aussage einer der größten und modernsten Telekommunikationsanbieter in Europa. Vodafone hat im vorigen Jahr ein eigenes Institut gegründet, um die maßgeblichen gesellschaftlichen Trends in der mobilen Revolution zu analysieren und das „gesellschaftsverändernde Potenzial mobiler Technologien ganzheitlich zu betrachten“.

Was man aus der deutschen Konzernzentrale so liest, klingt wie aus dem Lehrbuch für positive Imagepflege. Soziales Engagement zählt ebenso zu den Grundtugenden wie das energiebewusste ökologische Bauen, mit dem sich die neue Düsseldorfer Zentrale um die Auszeichnung „Green Building“ bewirbt. Und man will 80 Millionen ungenutzte deutsche Handys mit einer Tausch- und Rückkaufaktion spektakulär recyclen, um an den schlummernden Gold-, Silber- und Kupferschatz heranzukommen. Doch ein Versuch, mein gut funktionierendes aber bejahrtes und zudem etwas klobiges Gerät per online-Rückkauf loszuwerden, scheiterte: „Leider können wir für Ihr Modell kein Geld anbieten…“, hieß die lapidare Antwort. So scheide ich nun aus als potentieller Kunde von Vodafones „welterster dynamischer Shopping Wall“, für die mein Urzeithandy so untauglich ist wie ein Telefonapparat mit Wählscheibe.

Wer „Emmas Enkels“ Kunde werden will, benötigt ein Smartphone, mit dem er die digital abgebildeten Produkte des täglichen Bedarfs auf einem Großbildschirm anvisiert, sie sozusagen fotografiert, um sie virtuell in seinen Einkaufskorb zu legen, online zu bezahlen und schnell genug dem Heimweg anzutreten, um die Lieferung in Empfang zu nehmen. Auf dem neuen Düsseldorfer Firmen-Campus entsteht gerade das riesige Shopping-Display, das uns bald  mindestens in jeder Bahnhofpassage begegnen soll als eine Art Rund-um-die-Uhr-Spätverkauf ohne sichtbares Personal. 

Zwei Jungunternehmer hatten die Idee, wie man einen realen mittelgroßen Laden in der Düsseldorfer Innenstadt mit noch echten Kunden über den Online-Einkauf per Internet erweitert und schließlich über eine virtuelle Verkaufswand wieder ins städtische Leben bringt. Dafür hat Vodafone die Machine-to-Machine Kommunikationslösung geschaffen, mit der all die Prozesse zwischen Kaufentscheidung über Smartphone-App, Onlinebezahlung, Lager- und Warenbestand bis zur Lieferung koordiniert werden. Das lässt zunächst staunen.
Doch dann fängt bei mir der „schöne neue Welt“- Skeptiker an mit der Frage, welche Verluste uns die Gewinne bringen. Wer zahlt die Rechnung, wenn im Erfolgsfall dieser Geschäftsidee unter der Omnipräsenz der Onlinekonkurrenz weitere real existierende Geschäfte schließen müssen, weil der Gewinn immer schmaler und die Miete nicht niedriger wird. Wo kann sich heute noch ein Rundfunkladen im Preiskampf gegen Saturn und Mediamarkt behaupten, die ihrerseits zudem den Internetverkauf forcieren? Jenseits der Nischen haben wir jetzt schon in unseren Städten einen Verlust an Vielfalt und Lebenskultur zu beklagen.

Wenn nun auch der Gemüsehändler und der Bäcker seinen Laden neben der „virtuellen Shopping Wall“ zumachen muss, weil sich reale Tomaten und Brötchen nicht per QR-Code-Scanner und Einkaufs-App mit dem Smartphone erwerben lassen, könnte unser Leben auch sonst ärmer werden. „Emmas Enkel“ wird zur Perversion des Prinzips Tante-Emma-Laden.

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