Kolumne 5. September 2013
Da schreibt ein kluger Regisseur: „Als Künstler sollte man sich aus parteipolitischen Empfehlungen raushalten.“ Und eine von mir geschätzte Autorin fragt: „Warum sollten sie (die Künstler) sich freiwillig, ohne Not, an die Seite der Macht oder der Macht von morgen stellen?“ und konstatiert weiter: „Sie opfern ihre Freiheit der Macht“. Dabei sind beide keineswegs unpolitische Traumtänzer. In ihren Arbeiten haben sie oft eindeutig Position bezogen, wenn es um die Verteidigung demokratischer Werte geht. Doch eindeutig Partei zu ergreifen – das ist beiden verdächtig, beschädigt angeblich den Künstler, weil er dann „den Posten des neutralen Beobachters“ aufgebe. Bloß nicht „mit Haut und Haaren für eine ganze Partei eintreten“, warnt die zitierte Schriftstellerin in der Taz. Eine Empfehlung, der ich mich ganz und gar nicht anschließen möchte, zumal sich dahinter eine recht seltsame Vorstellung von Engagement verbirgt.
Haben denn etwa die mehr als 900 Unterzeichner eines Wahlaufrufes „Für einen Politikwechsel mit einer starken SPD“ – darunter zahlreiche bekannte Intellektuelle und Künstler – „ihre Freiheit der Macht geopfert“? Es ist nachgerade eine Art Fundamentalismus, der den Künstlern das Recht zum eindeutigen Bekenntnis abspricht. Noch perfider: man unterstellt jenen, die es dennoch tun, gleich blanken Opportunismus, sich mit der Macht gemein machen zu wollen.
Als ob in Zeiten, da das Primat des Politischen längst von den global agierenden Finanzmächten okkupiert wird, die Macht in den Händen einer Partei liegen könnte! Geht es nicht eher darum, eine Partei als Mitglied oder als Sympathisant zu unterstützen, Wähler und Wählerwillen ernst zu nehmen und die parlamentarische Demokratie und das Vertrauen in gewählte Volksvertreter zu stärken?
Wenn wir dem Trend der immer weiter um sich greifenden Wahlmüdigkeit begegnen wollen, dann muss es auch Leute geben, die öffentlich ihre Stimme erheben, um eine Partei zu unterstützen. Dass Künstler und Schriftsteller nicht dazu gehören sollten, halte ich für eine aberwitzige Ausgrenzung. Denn für die meisten von ihnen hat doch der Auszug aus dem biedermeierlichen Elfenbeinturm längst stattgefunden.
In Zeiten zunehmender Parteienverachtung und falsch verstandenem Individualismus gilt es offenbar als cool, zum Wahlboykott aufzurufen. Dass sich bei aller berechtigten Kritik nun auch verstärkt und von den Medien hofiert einige Edelfedern an dieser „Ohne mich“-Kampagne beteiligen und sich wortreich über die Unzulänglichkeiten des Demokratiebetriebs ausheulen, überrascht denn doch. Statt larmoyant die Entpolitisierung und selbst verschuldete Unmündigkeit weiter zu befördern, sollten die Verweigerer besser an der Überwindung der so lauthals beklagten Zustände mitarbeiten.
Nur zur Erinnerung: Schließlich wurden schon blutige Revolutionen mit dem Ziel freier Wahlen geführt. Wer jetzt von scheinbar höherer Warte, aus Hochmut, Verdruss, generellem Desinteresse, Bequemlichkeit oder Furcht vor Veränderung die Bürger zum Wahlboykott auffordert, handelt verantwortungslos und stellt eine der zentralen Verabredungen zur Disposition, auf denen Demokratie gründet. Jedenfalls taugt dieses Verhalten nicht als Erziehungsprogramm für die real existierenden Parteien. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Und deshalb sage ich jetzt ganz staatsmännisch: Leute geht wählen! Schon, um dem Umfrageterror nach dem Motto „Alles ist längst gelaufen“ in der Urne doch noch die Suppe zu versalzen.