Gas geben?

Kolumne November 2015

Mein erstes Umweltplakat entstand 1971. Anlass war ein SPIEGEL-Bericht über Industriekonzerne, die Umweltauflagen nur „sehr unwillig befolgen“. Inzwischen gibt es mehr als 50, die in Ausstellungen weltweit gezeigt wurden.

Seitdem gab es zahlreiche globale Konferenzen mit Tausenden Teilnehmern, wahlweise mit dem Ziel, den Planeten zu retten, das Weltklima zu schützen, das 2-Grad-Limit zu halten, usw. Ein SPD-Kanzlerkandidat war einmal sogar so tollkühn – natürlich erfolglos – den ‚Frieden mit der Natur‘ als Wahlziel auszurufen.

Viel guter Wille, viele Spesen, noch mehr Ankündigungen – repariert wurde einiges, aber viel zu wenig, um sich den proklamierten Zielen entscheidend zu nähern. Im Gegenteil. Die Forscher outeten 2014 als das bisher wärmste Jahr, der CO-2-Gehalt steigt konstant, die Regenwälder werden weiter exzessiv gerodet, Pole und Gletscher schmelzen wie bisher, Flut und Dürre wechseln sich ab. Doch die Freudentänzer um das Goldene Wachstumskalb geben ihr Letztes. Nur die Klima-Leugner wurden etwas leiser.

Die FAZ-Sonntagszeitung riet jetzt ganzseitig vor tropfender Eisbergkulisse: „Cool bleiben“. Und: „Wir können uns anpassen“. ‚Anpassung‘ als das ewige ‚Weiter so‘? Zeitgleich kommt die „PS-Welt“ der „Welt am Sonntag“ zur Sache. Das Editorial verspricht „noch mehr Gas zu geben“. In Erinnerung an den VW-Schwindel heißt es da: „Unsere Liebe zu einem GTI oder auch GTD kann das nicht erschüttern. Mehr als CO-2 und Verbrauchswerte interessieren uns Drehmoment, PS, Sekunden von 0 auf 100, Hubraum“. Und unterwegs mit einem 571-PS-Monster-Mercedes schwärmt ein Autor mit Krawall-Lizenz von der „Ewigen Jugend“. BamS assistiert in einem Jubelbericht über „Die SUV’s der L.A.-Motorshow“: „Keine Klasse boomt mehr als die Autos mit Bumms!“ In einem PS ergänzte die Redaktion: „Es leben die Emirate! Dort wohnen die Leute, die den G 63 kaufen. Oder den G 65 mit 12 Zylindern“.

Diese Leute wohnen doch auch hier. Der Absatz von SUV’s und Spritschleudern wie den verschiedensten Geländewagen boomt. Wer wollte mir da verübeln, wenn ich mich über jeden Piloten-, UFO- oder sonst wie deklarierten Streik im Beförderungswesen freue. Das ist gelebter Umweltschutz. Oder ist es etwa normal, wenn eine Taxi-Fahrt zum nahen Airport häufig mehr kostet als ein Flug-Ticket?

Gäbe es endlich den schon oft geforderten Welt-Umwelt-Gerichtshof, sähe ich gerne den Chef von Ryanair und andere Billigliner vor Gericht. Gleiches gilt für den Oberzampano des weltweiten Rennzirkus, der schon einmal für eine Aussage über dunkle Geschäfte vor einem Münchner Gericht freies Geleit forderte. Jedenfalls gehört das ewige Im-Kreis-Fahren zu den bösartigsten Energievergeudungen. Mir fielen noch viele weitere Kandidaten ein.

Die Pariser Gipfelstürmer sollten noch einen Tag dranhängen und den Grundstein für ein solches Gerichtswesen legen, auch, um ihre Beschlüsse justiziabel zu machen. Ein niederländisches Gericht hat jetzt auf der Grundlage der Verletzung der Menschenrechte schon eine Vorlage geliefert. Denn, wird das 2-Grad-Ziel nicht eingehalten, wird die Zahl der Klimaflüchtlinge alles Bisherige noch weit in den Schatten stellen.

All die friedlichen bis alarmistischen Appelle richten sich übrigens in erster Linie auch an den mündigen Bürger als Energieverschwender. Bleibt wieder nur die Hoffnung, dass die Bergsteiger beim Abstieg vom Pariser Gipfel diesmal mehr im Gepäck haben als warme Worte mit Placebo-Effekt.

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