Kolumne Februar 2016
„Google hat nach eigener Angabe vor zwei Jahren rund 11 Milliarden Euro aus Europa geschleust. Der Konzern spricht von legalen Methoden. Google überwies demnach die Summe über die Niederlande auf die Bermudas. Dort fallen nach Unterlagen von Google keine Steuern an“ – Originalzitat Deutschlandfunk, Freitag letzter Woche. Der Konzern legt offenbar Wert darauf, dass es sich bei dieser Variante der Steuerhinterziehung um einen ganz legalen Vorgang handelt, jenseits jeder Form von Schleuserkriminalität.
Als ich das hörte, musste ich an meinen ehemaligen Steuerberater denken. Er schwärmte geradezu von den zahlreichen „Gestaltungsmöglichkeiten“, die unser Steuerrecht anbietet. Sein Vorschlag: „Wenn Sie wollen, rechne ich Sie steuerlich auf null“. Ich wollte es damals nicht und will es bis heute nicht. Weil mir ein demokratisch organisierter funktionierender Rechtsstaat lieb und eben auch teuer ist.
Letztens wunderte ich mich, dass mir die staatliche Fürsorge innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit gleich zwei Steuerprüfungen angedeihen ließ – beide Male ohne Beanstandungen. Diese Häufung sei reiner Zufall hieß es vom Finanzamt.
„Über die Niederlande auf die Bermudas steuerfrei“, und das alles völlig legal? Vielleicht versteht jemand, dass mir bei derartigen Meldungen der vorrevolutionäre Kamm schwillt. Dabei ist das freche – pardon, legale – Treiben von Google keine Besonderheit eines besonders skrupellosen Konzerns. Man braucht nicht lange nachzuforschen, um auf viele klangvolle Namen zu stoßen, die sich gleichfalls völlig folgenlos jeglicher Steuerpflicht entziehen. Dass sich auch immer wieder die Niederlande, Luxemburg, Irland, Zypern und wie die Briefkasten-Inseln alle heißen, als willige Fluchthelfer und Schleuser andienen, scheint keinen Finanzminister ernsthaft zu interessieren.
Kürzlich versuchte jemand meinen Zorn mit dem Hinweis zu bändigen, schließlich gäbe die Mafia auch keine Steuererklärung ab und werde von keiner Finanzbehörde der Welt veranlagt. Global agierende Konzerne spielten oft genug nach vergleichbaren Regeln.
Immerhin startet die EU jetzt den soundsovielten Anlauf, den Konzernen ihr Handwerk wenigstens ein wenig zu erschweren. Jedenfalls liegen die erschreckend banalen Tricksereien mit Zertifikaten, Lizenzgebühren und anderen dubiosen Geschäftsmodellen für jedermann offen zu Tage. Herr Schäuble, übernehmen Sie endlich! Denn die Sache ist und bleibt einfach: Gewinne, die bei uns erwirtschaftet werden, müssen auch bei uns versteuert werden. Um das festzustellen bedarf es keiner Gutachten von Finanzberatern oder TV-Experten. Die Umgehungstatbestände sind alle hinlänglich bekannt.
Alle Minister haben mit ihrem Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Namentlich bekannte Konzerne prellen mit anwaltlicher Begleitung unsere Gesellschaft Jahr für Jahr um Milliarden, die dringend gebraucht werden. Komme niemand mit der Ausrede, all diese Missstände ließen sich nur international angehen. Die Bundesrepublik ist weder Monaco, San Marino, Lichtenstein, noch der Vatikanstaat.
Nun heißt es wieder: „EU will Schlupflöcher schließen“, und „Die Europäische Union will aggressive Steuervermeidungsstrategien international tätiger Konzerne durchkreuzen“. Der zuständige EU-Kommissar scheint jetzt sogar ernst machen zu wollen. Schließlich gehen geschätzte 50 – 70 Milliarden Euro pro Jahr den EU-Staaten an Einnahmen durch „kreative“ Hinterziehung verloren.