Kolumne vom 4.5.2017
In Russland träumen einige bereits von einem Europa, in dem Marine Le Pen und andere Rechtspopulisten das Sagen haben.
Noch ist der zweite Wahlgang in Paris nicht gelaufen, da traf schon der Glückwunsch aus Moskau ein, der es in sich hat: Marine Le Pen sei „der unbestrittene Führer aller französischen konservativen Kräfte… Ihr Durchbruch in die zweite Runde ist ein kolossaler Sieg. Unser Sieg.“ Sie sei die „neue Jeanne d’Arc der europäischen Politik.“ Die Kandidatin des Volkes werde am kommenden Sonntag „in der Schlacht der Franzosen gegen entfremdete Eliten“ Emmanuel Macron, „dem Microchip eines sterbenden Systems“, also einem „Micron“, gegenübertreten.
Das schrieb Alexander Dugin, den der britische Guardian den „bedeutendsten russischen Intellektuellen, von dem du noch nie gehört hast“ nannte. Ich habe ihm immerhin schon in drei Kolumnen dazu verholfen, etwas bekannter zu werden. Er hat in Russland bereits eine ideologische Achterbahnfahrt zwischen neofaschistischen und nationalbolschewistischen Partei-Gründungen und -Austritten hinter sich, bis er sich zum Leitwolf einer neuen Geopolitik, des Neo-Eurasismus, erhob. Sein Kerngedanke ist, eine Bastion traditioneller Werte zu schaffen. Sein Hauptgegner: der „westliche Liberalismus“. Darunter versteht Dugin die Universalität der Menschenrechte ebenso wie Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit – die er als Absolutheitsansprüche westlicher Werte kritisiert und zur Disposition stellt. Nun könnte man das alles unter Verrücktheit eines Möchtegern-Rasputin verbuchen, wären da nicht deutliche Zeichen zu sehen, dass seine Ideen einer neuen eurasischen Weltordnung durchaus Verbreitung finden – in der russischen Generalstabsakademie und im Verteidigungsministerium ebenso wie in der amerikanischen Alt-Right-Bewegung. Dort hat ein guter Bekannter Dugins, Richard B. Spencer, der sich Präsident des National Policy Institute nennt, dessen Schriften ins Internet gestellt. Spencer? Findet man auf Youtube: vor lauter Begeisterung nach der US-Wahl rief er „Heil Trump! Sieg Heil!“, was den Anwesenden die rechten Arme in die Höhe riß und selbst für Amerika zu viel des Braunen war.
Dugin war übrigens eine der ersten öffentlichen Persönlichkeiten in Russland, die in Trump einen potentiellen Verbündeten feierte, für strategische Allianzen in einem „künftigen Kreuzzug der Großmächte gegen die Perversion.“ Das war noch vor der neuerlichen Vereisung der russisch-amerikanischen Beziehungen – doch man sollte es in Erinnerung behalten. Denn Dugin legt viel Ehrgeiz in sein Vorhaben, als Vermittler zwischen Moskau und den rechtsextremen Parteien und Gruppen im Westen ernst genommen zu werden.
Unterstützt wird er dabei von einem einflussreichen Freund, dem Oligarchen Konstantin Malofejew, der als bekennender Monarchist ein Moskauer Medienunternehmen führt, das als besonders kremlnah gilt. Malofejew sieht in Putin den Erlöser, „den größten Führer, den Russland in den letzten 100 Jahren hatte“, und in seinem prominenten Mitarbeiter Dugin, den „Vordenker des neuen Russland“. In einer ARTE-Dokumentation gab der Vordenker kürzlich Einblick in sein strategisches Konzept für Europa: „AfD, Lega Nord und Front National – überall sieht man die Alternativen wachsen. Das ist das 2. Europa! Ein Europa der europäischen Menschen, der Traditionen. Dieses 2. Europa könnte Partner Russlands sein.“
Die Unterstützung der Europäischen Rechten, um die EU zu schwächen, wurde selten so unverblümt proklamiert. Dem Glückwunsch an Marine Le Pen zum ersten Wahlgang wird hoffentlich am Montag kein zweiter zum Sieg folgen.
Die Kolumne erschien zeitgleich in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.