Der Grafiker und Satiriker Klaus Staeck wird 80
Evangelischer Pressedienst (epd), 26.2.2018
Heidelberg (epd). Es ist eines seiner ersten Plakate und provoziert immer noch: 1971 zeigt der Grafiker Klaus Staeck eine Zeichnung des Malers Albrecht Dürer von dessen greiser Mutter mit Kopftuch, dazu die Textzeile „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“. Dieser Kommentar zur Wohnungsnot ist nach wie vor aktuell. Das Dilemma seiner Arbeit sei, sagt Staeck, dass sie nicht veralte: „Manche meiner Plakate sind heute aktueller als zu ihrer Entstehungszeit.“
Auch kurz vor seinem 80. Geburtstag am 28. Februar ist der Heidelberger Plakatkünstler immer noch gesellschaftskritisch „unterwegs in Sachen Kunst und Politik“, wie er formuliert. „Ich bin nicht alt, weil ich noch neugierig bin“, erklärt Staeck, hochgewachsen, silberblondes Haar, gekleidet in dunkelblauem Anzug und Pullover. Derzeit ist eine umfangreiche Retrospektive seiner Arbeiten mit rund 200 Exponaten im Folkwang Museum in Essen zu sehen, Titel: „Sand fürs Getriebe“.
„Ich bin kein Karikaturist und kein Designer. Ich bin jemand, der Plakate macht, ich bin ein Satiriker“, betont er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) und erklärt: „Satire verteidigt die unverschuldet Schwachen immer gegen den Übermut der Starken.“ Satire könne unkonventionelle Wege gehen, im positiven Sinn als Störer wirken und Erkenntnisgewinn bringen. „Satire darf alles in Verantwortung“, aber sie dürfe die Menschenwürde nicht verletzen.
Mit seinen Plakaten hat Staeck das visuelle Gedächtnis Deutschlands über fünf Jahrzehnte mitgeprägt. Zu seinen bekanntesten Motiven gehört eines aus dem Wahlkampf 1972: „Die Reichen müssen noch reicher werden. Deshalb CDU“. Dagegen legte die CDU Klage ein, wegen Verletzung des Namensrechtes.
Nicht nur hier konnte der Künstler, der eine Zulassung als Rechtsanwalt hat, seine juristischen Kenntnisse gut gebrauchen: Mehr als 40 Mal sollte eines seiner kritisch-satirischen Plakate verboten werden – jedoch „immer ohne Erfolg“, wie Staeck sagt. Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete ihn bei der Verleihung des August-Bebel-Preis 2015 als einen Einmischer in die Politik, der „jenseits der Komfortzone ironischer Unverbindlichkeit“ agiere.
In Staecks kleinem Eckladen in der Heidelberger Altstadt stapeln sich von ihm entworfene Postkarten, Plakate und Aufkleber – „Demokratiebedarf“ nennt er das: „Ich bin ein Kind der Aufklärung und des Papierzeitalters.“ In seiner „Edition Staeck“, zuvor Edition Tangente, verlegt er die eigenen Arbeiten, aber auch Werke anderer Künstler wie Joseph Beuys.
Sorgen, dass seine Bilder und Plakate im Internetzeitalter zu wenig Aufmerksamkeit erregen, hat er nicht. „Ein Bild bleibt, da kann ich noch mal hinschauen“, sagt er.
Jeder versteht auch folgendes Staeck-Plakat, ohne dass die Person darauf zu erkennen ist: Es zeigt zwei Hände zur Raute geformt, dazu die Worte „Ich sage nichts. Das aber mit allem Nachdruck.“ Auch US-Präsident Donald Trump bekommt als „Lügenbaron“ sein Fett ab. Der Polit-Grafiker greift aktuelle Themen auf wie den Klimawandel oder den Einfluss von Großkonzernen wie Amazon und Google.
Der vielfach ausgezeichnete Staeck, der 1960 in die SPD eingetreten ist, versteht seine Kunst als „Demokratiearbeit“. Wer die Unfreiheit im Stalinismus erlebt habe, lerne die Freiheit ganz anders zu schätzen, sagt er. Er kam 1938 im sächsischen Pulsnitz zur Welt und wuchs in einem böhmisch-protestantischem Haus in der Industriestadt Bitterfeld auf. Unmittelbar nach dem Abitur übersiedelte er 1956 aus der DDR in den Westen. In Heidelberg studierte er zunächst Jura.
Zwischen 2006 und 2015 war er Präsident der Akademie der Künste in Berlin und ist seitdem ihr Ehrenpräsident. Vergessen scheinen die Zeiten, in denen 1976 aufgebrachte Politiker von CSU und CDU Staeck-Plakate von den Wänden rissen. Er rede mit vielen, so beschrieb ihn einmal Christina Rau, die Witwe des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, aber „er redet niemandem nach dem Mund und will sich nicht vereinnahmen lassen.“
„Ich bin ein zorniger, fröhlicher Christenmensch – streitbar, aber solidarisch“, sagt Staeck über sich. Deshalb sei er weder aus der SPD noch aus der Kirche ausgetreten. Er kann Ungerechtigkeit nicht ertragen und setzt sich für die Schwachen ein – er vergleicht sich gerne mit David aus der biblischen Geschichte von David gegen Goliath. Zum Beispiel 1981: Da legte er sich mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall an. Auf dem Plakat waren fünf Prokuristen zu sehen mit dem Satz „Alle reden vom Frieden. Wir nicht.“ Dieses Motiv habe gleich sechs Prozesse ausgelöst, die Staeck alle gewann.
Als besonders mutig empfinde er sich nicht, sagt er. Die nötige Zivilcourage habe er von seiner Mutter gelernt. Er ist aber auch selbstkritisch: „Ich war früher zu viel in Talkshows.“ Er würde auch ein, zwei Plakate heute nicht mehr machen.
Seine künstlerische Arbeit beschreibt er mit den Begriffen Aufklärung, Verantwortung und Solidarität: „Wenn ich mal was auf dem Grabstein bräuchte, wären das die entscheidenden drei Begriffe.“ (epd)
Ein Gedanke zu „Plakat-Kunst für die Demokratie“