Wird 3sat zum Opfer einer Rundfunkreform?


Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben am 26. September 2024 einen Staatsvertragsentwurf zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks veröffentlicht. Bis zum 11. Oktober 2024  können Anregungen und Anmerkungen zu den Vorschlägen eingereicht werden. Wesentliche Inhalte der Reformvorschläge sind in einer Präsentation zusammengefasst.

Viel Aufmerksamkeit und erste Stimmen des Protests findet eine Empfehlung zur „Stärkung der Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Sender“: die mögliche Überführung des Kultursenders 3sat in das Programm von ARTE.

Hierzu die Wortmeldung von Klaus Staeck, der sich als Präsident der Akademie der Künste mehrfach für die Stärkung des Kulturauftrags des öffentlichen Rundfunks öffentlich eingesetzt hat:

Eine Wortmeldung zur Rundfunkreform

Zunächst ist zu begrüßen, dass die Regierungen der Bundesländer endlich einen Staatsvertragsentwurf zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt haben. Dessen Auftrag soll „qualitativ gestärkt und quantitativ gesenkt“ werden.

In der Tat ist es sinnvoll zu prüfen, ob 70 Rundfunksender dem tatsächlichen Bedarf der Hörerinnen und Hörer entsprechen. Aber es sollte vor allem den Programmverantwortlichen in den Sendern ein entscheidendes Mitspracherecht gewährt werden, wo eingespart wird, wo Doppelangebote vermieden werden könnten.

Angesichts einer bereits vollzogenen Reduzierung von Literatur- und Kultursendungen bei einigen Anstalten warne ich davor, mit der Ausdünnung gerade auf dem Feld von Kultur, Bildung und Wissenschaft Brachland zu schaffen.

Mein scharfer Protest – und damit bin ich zum Glück nicht allein – gilt der erklärten Absicht, den Programminhalt von 3sat „teilweise oder vollständig“ in das Programm von ARTE zu „überführen“. Oder klar ausgedrückt: den auf deutsch-österreichisch-schweizer Basis existierenden Kultursender 3sat letztlich zu liquidieren.

Beide Sender haben seit ihrer Einführung vor 40 und 32 Jahren auf beeindruckende Weise ihre Existenzberechtigung bewiesen. So wie der auf einem deutsch-französischen Staatsvertrag mit zahlreichen europäischen Anstalten verbundene Sender ARTE mit einer Vielzahl von Themenabenden, Dokumentationen und Reportagen nicht nur kulturpolitische Aufklärungsarbeit leistet, sondern auch wachsenden antidemokratischen Tendenzen entgegenwirkt, kommt 3sat nicht weniger Bedeutung zu. Allein dessen tägliches Magazin „Kulturzeit“ ist nicht nur für mich sondern für eine Vielzahl von Kollegen aus allen Bereichen der Künste unverzichtbares Informationsprogramm.

Es kann nicht die Absicht der Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer sein, ausgerechnet den Kulturauftrag des ÖRR durch die Streichung eines Kultursenders (getarnt als „Überführung“) in Frage zu stellen.

Es kommt jetzt darauf an, die Rundfunkkommission der Länder aufzufordern, die Vielfalt anspruchsvoller Programmangebote nicht mit leichfertigen Empfehlungen und Beschlüssen einzuschränken! Die Frist für Stellungnahmen zu den Reformvorschlägen ist bis zum 11. Oktober beschränkt. Eine ernsthafte Diskussion und die sich mehrenden Stimmen des Protests gegen eine Schließung von 3sat werden sich nicht mit diesem Datum erledigt haben.

Prof. Klaus Staeck

Heidelberg, den 3. Oktober 2024

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Widerstand gegen eine „Überführung“. Kolumne in der Frankfurter Rundschau vom 17.10.2024

Akademie der Künste spricht sich gegen die Abschaffung von 3sat unter dem Deckmantel der „Überführung von Inhalten“ aus. Für die Stärkung des Kultur- und Bildungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Beitrag von Radio 3 des RBB am 9.Oktober zu den Protesten gegen das mögliche Aus von 3sat: Link zur Sendung

Hier können Sie die Petition der Journalistin Katja Riha, gerichtet an die Rundfunkkommission, die Ministerpräsidentenkonferenz und an Kultur-Staatsministerin Claudia Roth, unterzeichnen:

Rettet 3sat – unser Kultursender darf nicht verschwinden!

Bereits mehr als 163.000 Unterzeichner!

Die Liste der Erstunterzeichner:

Prof. Dr. Hubertus von Amelunxen (Kunst- und Kulturwissenschaftler)

Rosa Barba (Künstlerin und Filmemacherin) 

Gerhart Baum (Politiker)

Renate Liesmann-Baum (Musikwissenschaftlerin) 

Sibylle Berg (Schriftstellerin und Politikerin) 

Candice Breitz (Künstlerin) 

Klaus vom Bruch (Medienkünstler)

Thomas Brussig (Schriftsteller und Drehbuchautor) 

Prof. Michael Brynntrup (Filmemacher und Videokünstler)

Prof. Dr. Michael Buback (Wissenschaftler und Buchautor) 

Elisabeth Buback (Lehrerin und Buchautorin) 

Jan Delay (Musiker) 

Alfred Dorfer (Autor, Satiriker / Österreich) 

Dr. Julia Draganović (Kuratorin und Kulturmanagerin) 

Ute Eskildsen (Fotografin und Kuratorin) 

Ines Geipel (Schriftstellerin und Publizistin)

Dr. Rolf Gössner (Jurist und Publizist)

Thomas Florschuetz (Künstler)

Prof. Dr. Hajo Funke (Politikwissenschaftler) 

Hubert von Goisern (Musiker, Salzburg / Österreich) 

Elke Heidenreich (Autorin) 

Renate Herre (Verlegerin) 

Kathleen Hildebrand (Journalistin) 

Charly Hübner (Schauspieler und Regisseur)

Andreas Isenschmid (Literaturkritiker)

Daniel Kothenschulte (Filmkritiker) 

Peter Kraus vom Cleff (Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels)

Prof. Dr. Robert Kudielka (Kunstwissenschaftler) 

Jo Lendle (Schriftsteller und Verleger) 

Prof. Andreas Magdanz (Fotograf) 

Kristof Magnusson (Schriftsteller) 

Ulrich Matthes (Schauspieler) 

Prof. Bjørn Melhus (Künstler) 

Helke Misselwitz (Regisseurin)

Prof. Dr. Rainer Moritz (Literaturkritiker, Literaturhaus HH)

Ersan Mondtag (Künstler und Theaterregisseur)

Wolfgang Niedecken (Musiker)

Prof. Marcel Odenbach (Künstler) 

Falk Richter (Theaterautor und Regisseur)

Clemens Riha (Journalist) 

Prof.Ulrike Rosenbach (Künstlerin)

Julian Rosefeldt (Filmkünstler und Regisseur)

Karin Sander (Künstlerin) 

Rocko Schamoni (Künstler) 

Denis Scheck (Literaturkritiker und Journalist)

Karin Schmidt-Friderichs (Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels) 

Heide Schneider-Sonnemann (Rechtsanwältin) 

Martin Sonneborn (Satriker, Journalist, Politiker) 

Klaus Staeck (Grafikdesigner und Karikaturist)

Prof. Jan Standke (Vorsitzender AKJ e.V.) 

Prof.Dr. Bernd Stegemann (Dramaturg und Autor) 

Berit Stumpf (Performance – Künstlerin und Schauspielerin)

Bastian Trost (Performer, Schauspieler) 

Prof. Manos Tsangaris (Präsident der Akademie der Künste, Berlin)

Oliver Vogel (verlegerischer Geschäftsführer) 

Insa Wilke (Literaturkritikerin und Moderatorin)

Hubert Winkels (Literaturkritiker) 

Prof. Dr. Siegfried Zielinski (Medientheoretiker) 

Slavoj Žižek (Philosoph)

Zum Tod von Friedrich Schorlemmer

Friedrich Schorlemmer gemeinsam mit Eva Menasse und Sebastian Krumbiegel im September 2017 bei einer Pressekonferenz der „Aktion für mehr Demokratie“ in der Berliner „Ständigen Vertretung“

Friedrich Schorlemmer, als Theologe, Bürgerrechtler und Publizist der streitbare Kämpfer für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit, ist am 8. September gestorben.

„Demokratie nicht den anderen überlassen – sonst geht sie kaputt.“ Selber mitmischen, selber Verantwortung und das Risiko des öffentlichen Wortes übernehmen – das sei die Haltung Friedrich Schorlemmers gewesen, mit der er in Erinnerung bleiben werde, sagte Wolfgang Thierse in „Fazit“ vom Deutschlandfunk Kultur.

In der gleichen Sendung fragte Vladimir Balzer Klaus Staeck, wie er sich an den Freund erinnert.

Wenn man nur auf seine wenigen kleinen persönlichen Schritte schaut und resigniert, ist man falsch dran. Man ist Teil einer großen Hoffnungs- und Utopie-Bewegung, dass Gerechtigkeit möglich ist, dass wir in Frieden beisammen wohnen können und dass wir die uns umgebende Natur nicht nur nutzen, sondern auch preisen.

Friedrich Schorlemmer

Oleg Orlow ist frei!

Orlow, einer der führenden Vertreter der Organisation Memorial, 2022 ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis, wurde im Februar 2024 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Weil er an Anti-Kriegsdemonstrationen teilgenommen und einen Artikel veröffentlicht hatte, in dem er schrieb, dass Russland in den Faschismus abgeglitten sei, verurteilte ihn ein Moskauer Gericht wegen Diskreditierung der Streitkräfte. Im Gegensatz zu vielen anderen Kritikern des Kreml war der Co-Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Memorial in Russland geblieben, um seine Aktionen gegen das Putin-Regime fortzusetzen.

Am 1. August 2024 wurde er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs, bei dem u.a. der „Tiergartenmörder“ Krassikow im Gegenzug nach Moskau überstellt und von Putin auf dem Roten Teppich empfangen wurde, freigelassen.

Akademiepräsident György Konrád hatte im März 2003 Oleg Orlow und Sergej Kowaljow (v.l.n.r.) als Repräsentanten von MEMORIAL nach Berlin eingeladen.

Oleg Orlow war für die Akademie der Künste ein wichtiger Partner für Beziehungen zur Organisation Memorial. Mehrfach war er zu Gast in der Akademie.

Solidarität mit dem russischen Menschenrechts-Aktivisten Oleg Orlow!

Oleg Orlow wurde am 27.02.2024 zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Als Mitglied der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL war er an der Seite von Sergej Kowaljow mehrfach zu Gast in der Akademie der Künste.

Als Ehrenpräsident der Akademie protestiere ich gegen dieses Gesinnungsurteil. Es wurde verhängt, weil Orlow nach dem russischen Einmarsch in einem in der französischen Internetzeitung Mediapart  veröffentlichten Artikel die Aggression gegen die Ukraine einen Krieg nannte. „Sie wollten den Faschismus, sie haben ihn bekommen“, lautete der Titel. Das Urteil gegen Oleg Orlow richtet sich auch gegen die inzwischen verbotene Organisation MEMORIAL.

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Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen!

Campact-Aufruf für die Unterschriftenaktion

Das Kampagnen-Netzwerk Campact hat auf Initiative des Physikers Indra Gosh eine Petition verbreitet, die in wenigen Wochen bis zum 21. Januar 2024 von mehr als 1,5 Millionen Unterstützern unterschrieben wurde. Damit ist ein nötiges Quorum erfüllt: Ab 50.000 Unterzeichnern müsste sich – wenn die Petition eingereicht werden würde – der Petitionsausschuss des Bundestags damit befassen und Gelegenheit zur Anhörung geben. Es geht darum, dem Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke die Grundrechte zu entziehen. Dafür müßte die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz stellen. Die Petition richtet sich an die Fraktionsspitzen aller Bundestagsparteien (außer der AfD).

Um Extremisten die Grundrechte zu entziehen, muss deren Missbrauch „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ nachgewiesen werden. Über die Grundrechtsverwirkung kann ausschließlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Die Grundrechtsverwirkung ist neben dem Parteiverbot ein Instrument der „wehrhaften Demokratie“.

Das Online-Portal der SPD, „VORWÄRTS“, schreibt dazu:

Bundestag, Bundesregierung oder Landesregierung können Antrag stellen

Laut Grundgesetz können insbesondere die politisch relevanten Grundrechte entzogen werden, also Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, aber auch das Eigentumsrecht. Im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ist zudem vorgesehen, dass auch das Wahlrecht und die Befugnis, öffentliche Ämter auszuüben, entzogen werden können. Nicht zuletzt darauf zielt die Petition im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl, die für September geplant ist. Höcke ist Spitzenkandidat der AfD und will Ministerpräsident werden. Einen Antrag auf Entziehung der Grundrechte können laut Gesetz lediglich Bundestag, Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen. Bürger*innen können also nur an die Staatsorgane appellieren, diesen Weg zu gehen.

Bisher gab es in Deutschland vier Anträge auf Entziehung der Grundrechte. Betroffen waren ausschließlich Rechtsextremisten: Otto-Ernst Remer (Vize-Vorsitzender der verbotenene Sozialistischen Reichspartei), Gerhard Frey (Verleger der Nationalzeitung) sowie die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz. Alle vier Anträge wurden vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt.

Auch wenn eine Karlsruher Entscheidung vor der Thüringer Landtagswahl schwierig zu realisieren wäre, würde der massive öffentliche Protest gegen die Kandidatur eines als Faschist auftretenden AfD-Politikers ein Zeichen setzen, dass die „wehrhafte Demokratie“ lebendig ist und verteidigt werden kann.

Im September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Die AfD könnte erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland werden, obwohl der Thüringer Verfassungsschutz diesen Landesverband bereits im März 2020 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat und im darauffolgenden Jahr zum erwiesen extremistischen Beobachtungsobjekt erklärte. Der Verfassungsschutzbericht 2022 des Freistaats Thüringen stellte fest: „Der AfD Landesverband Thüringen ist eine erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Landesverband vertritt seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten. Im Berichtszeitraum ist keine politische Mäßigung eingetreten. Im Gegenteil gelten die unter den genannten Begriffen zusammengefassten verfassungsfeindlichen Positionen, die sich in ziel- und zweckgerichteter Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, als die beherrschende und weitgehend unumstrittene politische Ideologie innerhalb des Landesverbandes.“

Landes-Parteichef Björn Höcke, der nach einer Feststellung des Verwaltungsgerichts Meiningen aus dem Jahr 2019 als „Faschist“ bezeichnet werden darf, ist als Rechtsextremist einer der einflussreichsten Politiker der AfD.

Hier der Link zur Campact-Unterschriftenaktion.

RNZ-Forum mit Klaus Staeck

„Die Demokratie ist das Kostbarste, was wir haben“ 

Der Politgrafiker, Rechtsanwalt und Wahlkämpfer Klaus Staeck war zu Gast beim RNZ-Forum im Heidelberger Theater.

Beitrag aus der Rhein-Neckar-Zeitung vom 16.11.2023. Autor: Volker Oesterreich

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Klaus Staeck: „Die DDR war damals natürlich auch Barbarei“

SWR Kultur, „ZEITGENOSSEN“, Sendung vom 8. Juli 2023

Klaus Staeck hat als Künstler, Grafikdesigner und auch als Jurist und Rechtsanwalt viel bewegt. Seine politischen und zeitkritischen Parolen auf Plakaten und Postkarten regen bis heute zur Gegenkritik und zum Nachdenken an. Sie beschäftigten oft die Gerichte und hingen in vielen Studentenbuden. Als SPD-Mitglied war Staeck auch politisch aktiv, etwa als Mitglied im Kultursenat von Sachsen-Anhalt. Von 2006 bis 2015 amtierte er als Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Staeck lebt in Heidelberg, wo er zu seinem 85. Geburtstag mit der Ausstellung „Satire vor Gericht“ geehrt wurde.