Süddeutsche Zeitung, 22. März 2018
Ein Berliner Abend mit Klaus Staeck und der neuen Justizministerin Katarina Barley bringt – womöglich – ein Staatsgeheimnis ans Licht.
Von Willi Winkler
„Lassen Sie uns gemeinsam laut sein!“, wünscht sich Thorsten Schäfer-Gümbel, Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie, und er ruft es in das spitzwinklige Atrium im Berliner Willy-Brandt-Haus, dessen Haupttür noch immer holzverschalt ist, seit an Heiligabend ein ebenfalls ziemlich lauter Staatsbürger seine Meinung manifestieren wollte und gleich mit seinem Auto rein drängte.
Keiner ist lauter als Klaus Staeck, vor kurzem ist er achtzig geworden, er ist Rechtsanwalt, Künstler und, noch exotischer, SPD-Mitglied. Jubiläumsgemäß wurde also eifrig Rückschau auf eine ruhmreiche Geschichte gehalten. Staeck hat einige der besten Epigramme der jüngeren Literaturgeschichte fabriziert: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“ oder, als Bildunterschrift zu dem Porträt von Albrecht Dürers Mutter: „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“
Staeck hatte sich die neue Justizministerin Katarina Barley als Gesprächspartnerin gewünscht, die denn auch brav von Quote und gleichem Lohn sprach und von allem, was wichtig ist, dabei aber so biedersinnig blieb, wie die gesamte SPD, männlich wie weiblich, ohne den aggressiven Witz Staecks da stünde. Der hatte mit einem einzigen Plakat voller Männer, beschriftet mit dem hohnvollen Satz „Jeder zweite Abgeordnete ist eine Frau“ mehr Aufklärung erreicht, als es so grundstürzende ministeriale Erkenntnisse wie die, dass Frauen solidarisch miteinander werden und netzwerken müssten, je vermöchten. Aber gut, das ist eben die Kunst und nicht die Politik.
Die männliche „Sitzungskultur“ stoße die Frauen ab, erklärte Barley, das ewige Tagen und Reden und Tagen, „viele Frauen wollen ein Ergebnis sehen“. Dafür gab es redlichen Beifall, der jedoch ungleich größer wurde, als dann noch verspätet Martin Schulz erschien, dem Staeck von der Bühne herab für seinen Einsatz im Wahlkampf dankte. Leider sei die SPD „verliebt ins Verlieren“, klagte er gar nicht leise.
Aber da sprach ein Gewinner: Nach einem mehrjährigen Prozess hatte ihm das Bundesverfassungsgericht recht gegeben, weil er more classico, also gut staeckisch, seinen Kampfspruch „Alle reden vom Klima: Wir ruinieren es“ mit den Porträts zweier dafür verantwortlicher Manager aus der deutschen Industrie verziert hatte. Es sei ein fantastisches Gefühl, gegen Rheinmetall zu gewinnen, meinte er, „da kann man doch drin schwelgen“.
Zum Schluss brachte Staeck noch seinen Grabstein ins Spiel und womöglich auch ein Staatsgeheimnis ans Licht. Als George W. Bush 2003 von den Deutschen Waffenbrüderschaft im Irakkrieg erwartete und Gerhard Schröder bereits wackelte (und Außenminister Fischer, wie Staeck erzählte, bereits an die Seite der Amerikaner eilen wollte), habe er, ein Künstler zwar nur, aber eben auch ein förderndes Mitglied der traditionsreichen Partei, den Bundeskanzler bremsen können. Diese politische Tat, dass er mit Freunden Schröder von der Kriegsteilnahme abgehalten habe, hätte er gern auf seinem Grabstein verewigt. Der Abend stand unter dem Motto „Nichts ist erledigt!“, und brachte Staeck deshalb einen weiteren güldenen Sinnspruch ein: „Der Kampf geht weiter, gnädige Frau!“