Kolumne vom 5.4.2018
Die Sammelwut von Facebook ist das eine, der Diebstahl durch Cyberganoven das andere. Gegen beides können und müssen wir uns wehren.
Wenn von Datenkraken die Rede ist, hat gegenwärtig Google eine Verschnaufpause. Jeder denkt natürlich an Zuckerbergs Firma mit dem kleinen blauen f. Und das aus gutem Grund, weil Facebook auf unglaublich dreiste Weise Datenbanken über Persönlichkeitsprofile seiner Nutzer anlegt, diese zu Werbezwecken analysiert und die Ergebnisse mit Milliardengewinnen verkauft.
Im Unternehmen konnte man sicher sein, dass die überwiegende Mehrheit der Facebook-Gemeinde nie die AGB-Richtlinien in voller Länge lesen und ihre Tragweite begreifen würde und so arglos der Sammelwut und Willkür ausgeliefert wäre.
Nun folgte der Dämpfer, weil der Missbrauch von Facebook-Erkenntnissen über Persönlichkeitstypen durch die britische Firma Cambridge Analytica zu offensichtlich wurde und die Börsenwerte dramatisch einbrachen.
Es wird immer unübersichtlicher
Dass irgendwie auch wieder Steve Bannon, der zeitweilige Strategieberater Trumps, über das Geld der Mercer-Familie an der Gründung der Skandalfirma beteiligt war, hat keinen mehr vom Stuhl gerissen. Bannon verließ die Firma im August 2016, als er in den Wahlkampf einstieg und ihm offensichtlich die Cambridge-Analysen zur Manipulation der Wähler mit eingängigen Slogans zur Verfügung standen.
Das Ergebnis ist bekannt, und man weiß schon nicht mehr, ob das noch der Umbruch ins digitale Zeitalter ist oder schon das blinde Tappen in die Falle von Verschwörungstheoretikern. Es wird immer unübersichtlicher, wer über welche Daten verfügt und zu welchen Zwecken der Manipulation oder des kriminellen Übers-Ohr-Hauen sie verwendet werden können.
Ein guter Bekannter erhielt kürzlich die Nachricht, dass er mir Geld schulde, die Rechnung fände er im Anhang der E-Mail. Bei Nichtbezahlung drohe ein Inkassoverfahren samt Anwaltskosten. Da er sich nicht an einen Kauf von Postkarten oder Plakaten bei der Edition Staeck erinnern konnte, was ich natürlich bedauere, wurde er stutzig. Waren Adressdiebe im Spiel?
Verweigerung oder wirksame Gesetze
Den Verbraucherschützern sei Dank, denn sie weisen immer wieder auf diese Masche hin und warnen vor Viren und Trojanern, die sich einfängt, wer die angehängten Dokumente öffnet. Dann geht nämlich das unkontrollierte Datenabsaugen erst richtig los – kein Vergleich zur freiwilligen Offenbarung gegenüber Facebook.
Die Mail hatte übrigens einen realen Absender, keine Fake-Adresse, wie sich leicht prüfen ließ. Sie führte zu einer Zahnärztin mit Praxis in der teuersten New Yorker Wohnlage nahe dem Central Park. Auch ihr guter Ruf wird beschädigt. Sie und ich, zwei Opfer von Cyber-Ganoven, die davon leben, dass irgendjemand von der Spamflut eingeschüchtert wird und Geld überweist.
Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen, um Seriosität bemüht, warnt regelmäßig vor Inkasso-Forderungen per E-Mail oder Brief mit gefälschten Adressen. Mit dieser Form bandenmäßig aus dem Ausland betriebener Inkasso-Kriminalität seien bereits Beträge in Millionenhöhe erzielt worden.
Gegen das Absaugen und gegen den Missbrauch von Daten werden wir uns zunehmend wehren müssen. Den großen Firmen kann man mit wirksameren Gesetzen, mit konsequent angewandtem Kartellrecht oder auch mit Verweigerung begegnen. Für die Tricks der Ganoven bleibt nur der gesunde Menschenverstand.
Die Kolumne erschien zeitgleich in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.