Harte Kritik an Wagenknecht: „Ihr traue ich am wenigsten ehrliche Absichten zu“
Werner Kolhoff im Interview mit Klaus Staeck
Der Künstler Klaus Staeck (SPD), sonst linken Initiativen gegenüber sehr offen, geht mit der Linken-Chefin und der Initiative „Aufstehen.de“ hart ins Gericht.
Der Name Klaus Staeck hat früher selten unter Aufrufen linker Initiativen gefehlt. Wird er auch unter der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ stehen?
Auf keinen Fall.
Warum nicht?
Weil es ein Frontalangriff vor allem gegen die Sozialdemokratie ist. Sarah Wagenknecht ist für mich die falsche Initiatorin. Ihr traue ich am wenigsten ehrliche Absichten zu. Politik ist keine Talkshow. Für mich zielt „Aufstehen“ hauptsächlich auf unzufriedene Sozialdemokraten. Das ganze erinnert fatal an die „Komitees für Gerechtigkeit“ in Ostdeutschland Anfang der 1990er Jahre. Das lief auch alles auf die PDS hinaus.
Sind es nur die falschen Leute oder sind es auch die falschen Inhalte, die Sie abhalten?
Beides. Ich bin ein Gegner der direkten Demokratie, die nicht zufällig die AfD so sehr befürwortet, weil sie dann noch erfolgreicher polarisieren kann. Die Demokratie ist schon genug gefährdet . Man muss die demokratischen Parteien jetzt generell eher stärken als sie noch weiter zu demontieren. Mit Bewegungen sind wir in der deutschen Geschichte schon genug gestraft. Hier sind republikbekannte linke Spieler am Werk. Dagegen wende ich mich.
In Frankreich mit Melanchon und in England mit Corbyn ist es mit solchen Bewegungen aber gelungen, wieder viele Politikenttäuschte zu mobilisieren.
Wo stehen denn Melanchon und Corbyn heute? Ich bleibe dabei: diese Bewegung schwächt nicht nur die Sozialdemokratie – auch die Linke! Mag sein, dass es einige Sozialdemokraten gibt, die sich da anschließen. Die Dummheit auch auf Seiten der politischen Linken stirbt ja nie aus.
Gibt es überhaupt noch eine Perspektive für eine linke politische Mehrheit in Deutschland, also für Rot-Rot-Grün?
Ja, warum denn nicht? Auch Frau Merkel hört einmal auf. Zwischen CDU und CSU gärt es. Da wird es neue Möglichkeiten geben.
Aber vorher müsste die Zersplitterung zwischen den drei Parteien SPD, Grüne und Linke überwunden werden. Wie kann das gelingen?
Durch gemeinsame Projekte und Gespräche. Jedenfalls nicht durch eine neue Fragmentierung. Was garantiert nichts nutzt, ist, das eigene vermutete Lager immer nur neu zu sortieren, mit immer neuen Parteien und immer neuen Sammlungsbewegungen. Bisher ist „Aufstehen“ nur der Versuch einer Umschichtung innerhalb des linken Lagers. Das bringt gar nichts. Das ganze ist für mich mehr eine mediale Inszenierung mit hohem Selbstdarstellungspotenzial für die Initiatoren.
Müsste auch die SPD ihre Politik ändern, um bündnisfähiger zu werden?
Ändern muss man sich immer, die Frage ist nur, was und in welche Richtung. Im Moment wollen die Leute alles gleichzeitig: Veränderung, aber dass es so bleibt, wie es ist. Klimaschutz, aber nicht bei sich selbst anfangen. Jeder ist seine eigene Ich-AG. Revolutionäre Ideen kommen in Deutschland gerade nicht besonders an.
Das ist pessimistisch.
Nein, das ist realistisch.
Also glauben Sie nicht, dass es mal wieder eine linke Regierung geben wird?
Der Glaube höret nimmer auf. Außerdem: Gerade weil das alles so Unpolitisch geworden ist, ist alles möglich. Leider auch eine rechte Mehrheit. Das ist das wirkliche Problem derzeit. Dagegen sollte man geschlossen vorgehen und sich nicht noch weiter zersplittern.
Erschienen am 6.8.2018 in der Westdeutschen Zeitung und in der Saarländischen Zeitung.
Klaus Staeck hat ja so Recht. Es ist derzeit nicht leicht für die SPD. Das betrübt mich auch. Aber ist die „Bewegung“ Aufstehen die Rettung? Für mich sind Wagenknecht und Lafontaine ausländerfeindlich, europafeindlich, nationalistisch! In vielem der AFD nahe. Nun: Lafontaine überrascht mich nicht, seine Verwendung des Nazibegriffs „Fremdarbeiter“ hat mich schon in den 80er Jahren aufgeschreckt. Wie kann sich Willy Brandts Sohn
solchen Leuten anschließen! Dressler, den das Fernsehen leider immer wieder als Sprachrohr der SPD einlädt, der
nun auch aufgestanden ist, nehme ich schon lange nicht mehr ernst.