Firmen drücken sich um ihren Beitrag für die Allgemeinheit. Das ist in Zeiten bisher unvorstellbarer Staatsausgaben geradezu asozial. Kolumne vom 20.10.2022
Gerade konnte man wieder einmal die Nachricht vom wunderbaren Steuerparadies Zossen bei Berlin lesen, wo es bald mehr Briefkastenfirmen als Einwohner geben könnte, wenn sich die Finanzbehörden Brandenburgs nicht endlich etwas einfallen lassen. Gerade Firmen aus der Hauptstadt genießen gern einen der niedrigsten Hebesätze in Deutschland, um die Gewinnmargen zu erhöhen.
Zossen profitiert schon seit Jahren davon – in bester Gesellschaft mit Grünwald bei München und Mohnheim am Rhein – und möchte dieses Alleinstellungsmerkmal natürlich nicht verlieren. Jetzt ergreift wohl der Berliner Senat die Initiative, wenn Finanzsenator Daniel Wesener von den Grünen es nicht bei Ankündigungen belässt, die Gewerbesteuersätze in der Metropolenregion endlich zu harmonisieren, um den Steueroptimierungs-Oasen das Wasser abzugraben.
Rund die Hälfte der Firmen-Briefkästen gehört in Zossen allein großen Immobilienfirmen, die in Berlin ihr Geschäft betreiben. Allein die Ziegert-Gruppe soll hier 148 Gesellschaften „angesiedelt“ haben, um den höheren Berliner Steuersatz zu umgehen.
In Zeiten bisher unvorstellbarer Staatsausgaben für die militärische Ertüchtigung der Bundeswehr (100 Milliarden Euro ) und eines Ansatzes zur Bewältigung der Energiekrise (200 Milliarden Euro) ist es geradezu asozial, jetzt noch großzügig über Steuerschlupflöcher hinwegzusehen.
Aber das gilt nicht nur im Berlin-Brandenburgischen sondern auch im Weltmaßstab. Nehmen wir nur mal Microsoft als Beispiel. Da blickten Großbritannien, Australien und Neuseeland in die leere Röhre, weil der Software-Riese seine Briefkästen in Bermuda aufgestellt hat. Allein Microsoft Global Finance, eine irische Firmentochter, hat bei Investitionen von mehr als 100 Milliarden Dollar und trotz eines Betriebsgewinns von 2,4 Mrd im Jahre 2020 steuerfrei gelebt, weil: ansässig auf Bermuda.
Microsoft verspricht seinen Aktionärinnen und Aktionären Gewinnspannen von mehr als 30 Prozent. Eine Holding aus Singapore konnte vor zwei Jahren trotz eines 22-Milliarden-Dollar-Gewinns aus Dividenden seine Steuerschuld auf 15 Dollar herunterrechnen, weil in Großbritannien, Australien und Neuseeland die Renditen angeblich nur niedrig einstellig ausfallen.
So betrügt Microsoft zum Beispiel den öffentlichen Sektor um dringend benötigte Einnahmen und verdient zugleich als staatlicher Auftragnehmer Milliarden. In fast jedem Land der Erde ist Microsoft staatlicher Auftragnehmer und hat Verträge mit Kommunen und Regierungen. Diese extreme Steuervermeidung der großen fünf Digital-Monopole Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft hat einen wesentlichen Anteil daran, dass Kapitalgewinne so viel stärker wachsen als Volkswirtschaften
Gerade die Monopolisierung bei Daten, Finanzen und Rohstoffen führt zur einseitigen Verteilung von Geld: 0,01 Prozent der Weltbevölkerung besitzen elf Prozent des Weltvermögens. Wenn globale Monopolkonzerne – nicht zuletzt mit ihrer Steuerflucht – in immer mehr Branchen den Wettbewerb ausschalten, zahlen die Kundin und der Kunde drauf. Und aus den Übergewinnen der Marktmächtigen werden steigende Lebenshaltungskosten, was eine Voraussetzung für sozialen Sprengstoff bietet. So beschreibt der „Handelsblatt“-Autor Hans-Jürgen Jakobs die Lage. Sein jüngstes Buch heißt „Das Monopol im 21. Jahrhundert – wie private Unternehmen und staatliche Konzerne unseren Wohlstand zerstören“.
Die Kolumne erschien am 20.10.2022 in der Frankfurter Rundschau.