Rundfunkanstalten unter Reformdruck

Der öffentliche Rundfunk braucht ein Konzept. Herausforderungen sind die sich ändernden Gewohnheiten der Menschen und die Übermacht großer Internetkonzerne. Höckes AfD will den „Grundfunk“. Kolumne vom 22.08.2024

„Nicht Ruhe, nicht Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“ 

Worte des IG-Metall Vorsitzenden Otto Brenner aus dem unruhigen Jahr 1968 – damals wie heute gültig. Die nach ihm benannte Stiftung der Gewerkschaft, die unter anderem wesentliche Expertisen zur Medienpolitik veröffentlicht hat, wählte sich das Zitat als Leitmotiv. Vor wenigen Wochen hat die Otto-Brenner-Stiftung ihre jüngste Studie zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt, die keinen Zweifel daran läßt, dass künftige Medienstaatsverträge und vor allem die Akteure in den Sendern diesem Rundfunk-System das Überleben sichern müssen. 

Seit Jahren verändern sich durch die digitalen Medien die Nutzungsgewohnheiten grundlegend und Zuschauer/-hörer wie ich, die noch nach Programm und festen Sendezeiten Radio oder TV nutzen, erscheinen langsam auf der Liste der aussterbenden Arten. Der Gesetzgeber muß also für die Zukunft vorausschauend sowohl die lineare wie die digitale Mediennutzung ohne Einschränkung ermöglichen, damit das nachwachsende Publikum überhaupt noch erreicht werden kann. Angesichts der Übermacht großer Internetkonzerne, auf deren Plattformen vom baren Unsinn bis zu wissenschaftlich seriösen Erkenntnissen alles verbreitet werden kann – auch Fake-News und Propaganda aus den Trollfabriken – trifft dieser Strukturwandel den öffentlich-rechtlichen Rundfunk fundamental.

Er kann dem nur begegnen,  wenn die Sendeanstalten für grundlegende Reformen bereit sind, ihre Online-Auftritte und Mediatheken kostenreduzierend gemeinsam planen und unterhalten. Und die Studie stellt auch fest, daß es hilfreich wäre, wenn sich die beiden großen Sendeanstalten deutlicher unterscheiden würden, indem sich die ARD auf die regionale Berichterstattung fokussieren würde. Wesentliche politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen und Ereignisse bis in die Landkreise müßten abgebildet werden. 

Ganz im Sinne derer, die die Gebühren zu zahlen haben, wird dringend an Sparsamkeit und Transparenz appelliert. Der Skandal um Korruption, Bereicherung und Versagen der Aufsicht in der Leitungsriege des RBB steckt allen noch in den Knochen. Nicht zuletzt die Belegschaft, Redakteurinnen und Redakteure, hatten unter dem Vertrauensverlust zu leiden. Die Studie schlägt vor, einen „Rat der Beitragszahler“ zu installieren. 

Motor der Reform bleiben die Bundesländer. „Sie müssen den rechtlichen Rahmen setzen, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine demokratischen Potentiale entfalten kann“, liest man als Fazit. 

Die Brenner-Stiftung agiert parteiübergreifend und neutral, weshalb man in der Studie nichts von den Absichten der AfD liest, das ganze Rundfunksystem „nach der Machtübernahme“ in die Luft zu sprengen. Höcke, der sich schon vor einem Jahr in seinem (vorerst) gescheiterten Pilotprojekt eines parteieigenen TV-Senders den „Ministerpräsidenten der Herzen“ nennen ließ, forderte auf dem Thüringer Landesparteitag einen „Grundfunk“. Das wären 10% vom jetzigen Angebot, Finanziert vom Staat durch Steuern statt der bisherigen Beiträge. Die Rundfunkstaatsverträge seien zu kündigen, was tatsächlich durch einen Ministerpräsidenten allein ohne Parlamentsentscheidung geschehen könnte. Der MDR würde somit nicht mehr aus Thüringen senden. Nur eine dringend nötige Änderung der Landesverfassung, die das Parlament als Kontrollgremium gegenüber der Regierung stärken würde, könnte dies dann noch verhindern. 

Die Kolumne erschien am 22.08.2024 in der Frankfurter Rundschau.

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