Beuys war ein Menschenfischer, der mit jedem sprach. Kann man ihm das vorwerfen?
Von Klaus Staeck
Es kommt nicht allzu häufig vor, dass sogar die zweite, um einige Quisquilien erweiterte Auflage eines Buches eine derartige Aufmerksamkeit erfährt. So geschehen mit dem Pamphlet des Autors Hans Peter Riegel, das über weite Strecken sich als Beuys-Biografie tarnt. Wenn man Riegel Glauben schenken will, dann bewegte sich Beuys vorzugsweise in einem dumpfen Umfeld von Finsterlingen der braunen Art.
Als einer der Kronzeugen für diese These wird ausgerechnet der in der Tat völkisch zu verortende Bauer Baldur Springmann benannt, dessen Beitrag zur Kunstgeschichte darin besteht, dass er während einer Documenta auf den Stufen des Kasseler Museum Fridericianum eine Fuhre Mist ablud.
Richtig ist, dass beide zu einer Anhörung nach Brüssel eingeladen worden waren. Anschließend äußerte sich Beuys über diesen Wunderling derart abfällig, dass der einem fast leidtun konnte. Abenteuerlich, sich vorzustellen, dass ausgerechnet der Documenta-Dauerteilnehmer Beuys mit Bauer Springmann gleichen Sinnes gewesen sein könnte.
Gleichzeitig unterstellt Riegel Beuys eine Nähe zu dem 1981 von reaktionären Professoren in Umlauf gebrachten rassistischen „Heidelberger Manifest“. Pech für ihn, dass sich in meinem Archiv ein eigenhändiges Beuys-Notat mit folgendem Text befindet: „Die Schweine müssen sich eigentlich rassisch sehr rein vorkommen.“ So sein Kommentar zu den Autoren. Deutlicher und drastischer kann man sich von derlei völkischem Gedankengut nicht distanzieren.
Es bleibt die Nähe zu Rudolf Steiner, der von Riegel als rassistisch-esoterisch eingeordnet wird. Beuys hat sich in der Tat oft auf den Anthroposophen berufen und ihn auf seine Weise interpretiert. Ich habe Beuys über all die Jahre stets geerdet und jeder Esoterik unverdächtig erlebt.
Nach Riegels Lesart bin auch ich wohl, der ein Leben lang als Linker eingenordet und oft genug deshalb kritisiert wurde, ein Rechter, ohne es selbst bemerkt zu haben. Eine Art Simplicius Simplicissimus. Aber wenn sogar Rudi Dutschke diesen gebrandmarkten Dunstkreis rechten Raunens bereichert haben soll, ist es an der Zeit, nach den insinuierten Verdächtigungen und Unterstellungen den Filzanzug wieder auf die Füße zu stellen.
Der Beitrag erschien am 15.5.2018 in der Süddeutschen Zeitung als Reaktion auf eine Rezension zu zweiten Auflage der Beuys-Biographie von Hans Peter Riegel.
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