Kolumne vom 24.1.2019
Der letzte große Cyberangriff auf die Datenpools der Wichtigen in Politik und Unterhaltung war die Aufregung wert. Ich vermute, dass sich so mancher gefragt hat, ob auch er oder sie Promi genug ist, um gehackt worden zu sein. Ich konnte die Erregung mit Gelassenheit überstehen, ich stand mit Sicherheit nicht auf der Liste des Netzwanderers.Soweit es möglich ist, bin und bleibe ich Offline. Ich befinde mich nicht in den Fängen von GOOGLE, FACEBOOK, INSTAGRAM, TWITTER und was das Netz sonst noch für Verlockungen bereithält. Auch von Onlinebanking halte ich mich fern, solange ich nicht dazu gezwungen werde. Ein mir kürzlich von der Telekom gratis zugeschicktes Smartphone habe ich noch nicht ausgepackt. Da ertrage ich lieber mitleidiges Lächeln, wenn ich mein „Steinzeithandy“ aus der Tasche ziehe. Immerhin ist es telefonfähig, kann SMS versenden und andere kleine Kunststücke vollbringen, für die ich keinen Bedarf habe.
Von den unzähligen Opfern des Hackers führte eines nach dem medialen Sündenfall besonders öffentlich und laut Klage. Dennoch erschienen mir die vergossenen Enttäuschungstränen des Grünen Robert Habeck reichlich wohlfeil. Gerade von ihm, dem Talkshow-König, hätte ich einen souveräneren Umgang mit dem digitalen Desaster erwartet. Sein Ausstieg aus Facebook und Co. erschien mir einen Hauch zu theatralisch. Ein einfaches mea culpa hätte es auch getan. Schließlich kann sich schon länger niemand mehr auf die Unschuldsvermutung gegenüber den Gefahren des Internet berufen. Die Datenfischer sind doch nicht erst seit gestern unterwegs und werden sich sicher nicht freiwillig von den Gelddruckmaschinen verabschieden. Dass es ausgerechnet ein 20jähriger Schüler war, der offenbar mühelos alle Sicherheitsschleusen des Netzes knacken konnte, ist vorläufig der beste Witz des Internetzeitalters. Er sollte wenigstens eine Anerkennung der Initiative „Jugend forscht“ erhalten.
An Warnungen vor den Umtrieben und Fängen des Netzes hat es jedenfalls nicht gefehlt. So wird der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, der Internetpionier Jaron Lanier, nicht müde, als Insider im Silicon Valley „das perverse, aber höchst profitable Geschäftsmodell der Social-Media-Netzwerke“ zu beschreiben, „das unsere Gesellschaft fundamental bedroht“. Sein bei Hoffmann und Campe erschienenes kleines Buch „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“ klingt wie ein Hilferuf des Tech-Gurus, eines Zauberlehrlings der ersten Stunde. „Steinzeithandy“ hin oder her – gelegentlich bedaure ich, dass ich Wau Holland, Mitbegründer des Chaos-Computer-Clubs, bei seinen Besuchen in meinem Heidelberger Atelier nicht aufmerksamer zuhörte, als er mich schon sehr früh auf die Möglichkeiten, aber auch nachdrücklich auf die Gefahren des Netzes aufmerksam machte.
Derweil müssen wir uns um den Grünen-Chef als gefallenem Helden keine Sorgen machen. Sein Publikum und die Medien lieben reuige Sünder und helfen ihnen gerne weiter. In überschwänglicher Zuneigung bescheinigte Quartiermeister Ulrich Jörges dem STERN gar: „Wo Habeck ist, ist vorn“. Den Grünen ist es noch immer gelungen, sich als die Guten aus eigener Gnade zu zelebrieren. Derzeit ist noch keine Kraft erkennbar, die sie in dieser Einschätzung stören könnte.
Wichtiger bleibt: Facebook und Co. und allen geschäftsmäßigen Absaugern von Daten endlich gesetzlich das Handwerk zu legen. Justizministerin Katarina Barley übernehmen Sie!
Der Text erschien am 24.1.2019 in der Frankfurter Rundschau und in der Berliner Zeitung.