Zur notwendigen Regulierung des Internets – Kolumne vom 18.4.2019
Lacht er mit uns oder über uns, schrieb die Internetplattform
netzpolitik.org unter ein Foto von Mark Zuckerberg. Er hatte gerade seine vier Ideen zur Regulierung des Internets veröffentlicht. Ich halte das scheinheilige Bekenntnis des Facebook-Gründers zu Daten- und Persönlichkeitsschutz, zur Vermeidung schädlicher Inhalte und politischer Wahlbeeinflussung für blanke Heuchelei.
Wer soll ihm seine Forderungen nach global einheitlicher Regulierung des Datenschutzes abnehmen, hatte doch Facebook selbst stets alle Möglichkeiten, die Sicherheit der Userdaten zu garantieren?
Das Unternehmen verbuchte im vorigen Jahr 55,8 Milliarden Dollar Umsatz und wurde hierzulande nur minimal für seine Gewinne aus Werbeeinnahmen besteuert. Facebook, so wird man sich bleibend erinnern, griff mit dem skandalösen Datenmissbrauch seiner Analysefirma Cambridge Analytica in den US-Wahlkampf ein und gerade erst wird es von deutschen Datenschützern der Spitzelei an Ex-Mitarbeitern und missliebigen Journalisten, deren Namen und persönliche Profile in schwarzen Listen erfasst werden, bezichtigt.
Offensichtlich haben die Forderungen der Europäischen Kommission und der Verbraucherschutzbehörden Ansätze von Wirkung gezeigt. Die Facebook-Gemeinde – so sie sich überhaupt für das Kleingedruckte in den Nutzungsbedingungen interessiert – muss nun darüber informiert werden, dass ihre Daten von dem sich sozial nennenden Netzwerk vor allem dazu verwendet werden, gezielt Werbung zu verkaufen. Die Aufforderung, das Unternehmen solle seine zwei Milliarden Kunden besser über das Geschäftsmodell der Finanzierung des Unternehmens aufklären, weil bei Nichtanpassung an das EU-Verbraucherrecht Sanktionen drohen könnten, hat Zuckerberg immerhin dazu veranlasst, den Anschein vertrauensbildender Maßnahmen zu erwecken. Deshalb reiste er für eine Initiative zur Image-Verbesserung zu Gesprächen mit Politikern und wichtigen Medienmanagern nach Deutschland.
Zur Flucht nach vorn treibt ihn auch der Druck an der Heimatfront, wo die Senatorin Elizabeth Warren gerade angedroht hat, im Falle ihres Wahlsieges 2020 als Präsidentin der USA für wirksame Kartellgesetze zu sorgen.
Technologieplattformen mit mehr als 25 Milliarden Dollar Jahresumsatz würden dann zerschlagen, weil sie über zu viel Macht und Einfluss auf die Wirtschaft und die Gesellschaft besäßen und die Demokratie untergraben. „Sie haben den Wettbewerb geplündert, unsere privaten Informationen zu Gewinnzwecken eingesetzt und die Wettbewerbsbedingungen gegen alle Konkurrenten gelenkt,“ schrieb Warren in einer Kampfansage.
Warren denkt dabei an Regulierungsbehörden und Kartellverfahren nach europäischen Mustern, auch wenn diese, wie wir wissen, den Giganten nicht immer bedrohlich erscheinen. Aber allein die Ankündigung, Monopolmächte könnten ihre Omnipotenz verlieren, weil wettbewerbsfeindliche Fusionen rückgängig gemacht und Regeln für eine demokratische Wirtschaftskontrolle eingeführt werden, sorgt für Unruhe bis zum Beschwören absurder Untergangsszenarien durch die Lobbyisten der Gegenseite.
Auch Mathias Döpfner, der 2016 den ersten Axel-Springer-Award an Mark Zuckerberg verlieh und von diesem am 1. April mit einem einstündigen Facebook-Interview zurückgeehrt wurde, hält die Zerschlagung einer Suchmaschine, die sich zur Antwortmaschine macht, letztendlich für möglich. Aber vorher möchte er doch lieber mit Facebook und Google über Lizenzgeschäfte zum Verkauf journalistischer Inhalte verhandeln und noch etwas Geld verdienen.
Die Kolumne erschien am 18.4.2019 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.