„Fridays for future“ muss etwas verändern
Kolumne vom 2. Mai 2019
Selbst die von mir geschätzte Süddeutsche Zeitung vermag mich von Zeit zu Zeit zu erschrecken. So las ich im Wirtschaftsteil der Osterausgabe unter der Headline „Urbane Arroganz. Die Verteufelung des Autos in Deutschland ist auch die Folge eines verstellten Blicks von Politikern und Umweltaktivisten auf die Realität“. Verkehrsminister Scheuer kann damit ja wohl nicht gemeint sein, wirkt er doch generell wie der Schutzpatron des Automobils, denn als sein Verfolger.
Im Sportteil geht es in derselben Ausgabe des Blattes unter der Überschrift „Das letzte Abenteuer“ aber erst richtig zur Sache. Gleich der erste Satz versucht sich in einer Art automobiler Lyrik: „Nach ein paar Tagen fand Andrea Peterhansel, dass es Zeit sein könnte, mal das Gaspedal durchzutreten. Vor ihnen erstreckte sich der Sand: eine weiche Ockerlandschaft mit sanften Dünen; weit und breit kein Gefahrenpunkt zu entdecken, auch im Roadbook war an dieser Stelle nichts Auffälliges vermerkt“. Und so geht das weiter und weiter, überflüssig zu erwähnen, dass noch von Spaß und „natürlich viel mehr Spaß“ die Rede ist.
Es geht dabei übrigens um die „Dakar“, die in Südamerika stattfindet. Der Name erinnert noch an die 1978 gestartete jährliche Rallye „Paris – Dakar“, als der Tross der Boliden noch einen erheblichen Teil der afrikanischen Straßen unbrauchbar machte, menschliche Kollateralschäden am Wegesrand als unvermeidbar eingeschlossen. Nun liegt also Peru am Wege. Und wieder sind so gut wie alle Medien dabei. Besonders ausführlich wird das Spektakel von „Mr. Icon“ einem „Lifestyle-Magazin für den Mann“, Unterabteilung „Welt“ und „Welt am Sonntag“ begleitet, mit der Bibel-Assoziation „Und zum Staub kehrst Du zurück“.
Auch diese Liebeserklärung an Hochtouriges beginnt in den ersten Sätzen mit triviallyrischem Geschwurbel: „Bevor man die Buggys sieht, hört man sie kommen. Im Minutentakt pflügen sie sich mit jaulendem Motor durch die Dünen, dann sind sie schon wieder hinter einem Vorhang aus Staub verschwunden“. Damit die Leserschaft an der Dramatik des sandigen Geschehens gebührend teilhat, noch ein weiteres Zitat. „Während bei anderen Querfeldeinrennen die Geschicklichkeit der Fahrer im Mittelpunkt steht, …zählt bei der Dakar vor allem das Durchhaltevermögen: Zehn Etappen über Entfernungen von bis zu 810 Kilometern, zehn Tage mit Vollgas durch Sand und Dünen, zehn Tage Dauerbelastung für Mensch und Maschine“.
In ihren Ausgaben eine Woche vor Ostern widmeten sich die Medien dem 1000. Formel 1–Grand Prix, die Süddeutsche war mit einer ganzen Seite dabei. In Anspielung an den Klaus Lage-Song „1000 und 1 Nacht“ titelte sie : „1000 Mal ist viel passiert“.
Als ich all die Zustandsbeschreibungen aus einer anderen, mir fremden Welt las, dachte ich an Greta, die wir inzwischen doch alle so sehr lieben. Auch wenn ich an ihrer heilbringenden Wirkung Zweifel bekam, als sie kürzlich bei der Gala der Goldenen Kamera als Ehrengast auftrat, während am selben Abend vom Hauptsponsor VW ein SUV an eine Schauspielerin verschenkt wurde. Aber vielleicht hat ihr der Papst auf dem Petersplatz während einer Generalaudienz ins Gewissen geredet. Denn es bleibt dabei: Die „Fridays for future“-Demos sind ja eine gute Idee, wenn daraus wirklich etwas für die geschundene Natur folgt.
Die Kolumne erschien am 2. Mai 2019 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.