Die wahre Macht

Kolumne vom 13. August 2007

Nur wenige Wochen nach der spritzigen Tour de France wartet Stuttgart auf eine saubere Rad-WM, was immer das unter Chemikern heißt. Sie wird wieder ein Fest für alle marktorientierten Medien und Zweiradfans werden. Vom Lug und Trug ein paar ertappter Sünder lässt man sich nicht gleich das Feiern und vor allem nicht das Fernsehen verbieten. Wofür zahlt man schließlich Gebühren? Für Superspannung und Spitzensport natürlich. Risiken und Nebenwirkungen inbegriffen. Die Gunst der Zuschauer, Sponsoren und TV-Sender erkaufen sich die Athleten aller Disziplinen nicht erst seit gestern mit übermenschlichen Leistungen auf übernatürlichen Wegen. Bleiben Höchstleistungen aus, bleiben Zuschauer weg und damit auch Euro-Millionen, welche nur den Ersten auf  den Treppchen winken. Schon der zweite Platz zählt oft nicht mehr. Nicht mehr der Bessere, sondern der Erfolgreichere macht das Rennen. Im realen Leben wie im Sport. 

Und doch gab es in diesem Einerlei der Gewohnheiten kürzlich eine Störung. In ermüdender Routine wäre alles abgelaufen wie bisher: die Dopingsünder überführt, jeweils ein kurzer moralisch-medialer Aufschrei, sich steigernde Reinheitsschwüre und the show must go on,. Einschaltquote und Aufmerksamkeit für all die bunten Werbebanner und Logos auf den Leibchen garantiert. Hätten sich nicht die öffentlich-rechtlichen von all den vielen Sendern aus der Tour-Berichterstattung ausgeblendet und wären nach jahrelanger Doping-Blindheit nicht doch noch sehend geworden. Sie haben zwar spät die mediale Bremse gezogen, aber deutliche Spuren hinterlassen.

Die von Bild u. Co. zu erwartende Presseschelte, Zensurverdacht und finanzielle Verluste haben endlich einmal nicht den Verstand lahm gelegt. Denn das Fernsehen ist die wahre Macht und trägt damit auch mehr gesellschaftliche Verantwortung als ihm lieb ist. So findet möglicherweise überhaupt nicht statt, was nicht im Fernsehen stattfindet. Sponsoren und Werbewirtschaft waren jedenfalls in höchstem Maße alarmiert und kündigten die Flucht an.

Bleibt abzuwarten, ob die Sender in absehbarer Zukunft den Schalter auch dann umlegen, wenn es sich um andere millionenschwere Rennen handelt, die mit Sport nichts, sondern nur noch mit Profit zu tun haben. 

Wie wäre es, wenn die Übertragung der Formel-1-Zirkus des cleveren Mr. Ecclestone einfach abgeschaltet würde, der  von jedem Rennstreckenbetreiber mindestens 16 Mio.Dollar, Tendenz steigend, für die Gnade kassiert, einmal im Jahr die Luft zu verpesten? Gründe? Weil es unsinnig ist, dass ihm ein Fernsehsender 80 Mio. Dollar für die Senderechte zahlen muss. Weil zum Beispiel Rheinland-Pfalz bis 2011 mit 33 Mio. Euro Verlusten für die Nürburgring GmbH einstehen muss. Weil jeder Platz auf der Besuchertribüne in der Eifel inzwischen mit mehr als 130 Euro subventioniert wird. Und weil nicht zuletzt jedes Formel-1-Rennen angesichts der weltweiten Medienpräsenz der CO2-Schleudern das ökobewusste Energiesparen, in Umwelt-Specials immer dramatischer angemahnt, als Spottnummer erscheinen lässt. Also Licht aus, wenn der Formel-1-Chef seine Rennen in Asien um Mitternacht startet, um in Europa werbewirksamere Einschaltquoten zu erzielen. Ecclestone und Figuren seines Kalibers würden staunen, welche Macht die Sender und übrigens wir alle mit der Fernbedienung ausüben können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert