Kunst und Geld

Kolumne Januar 2008

Wie kann ein Schriftsteller nur so undankbar sein. Da honoriert man seine künstlerische Leistung mit 6 000 Euro und dem „Thüringer Literaturpreis“ und er beschwert sich noch. Solche Gedanken mögen vielen Kultursponsoren und Kultusministern durch den Kopf gegangen sein, als Ingo Schulze in seiner „Dankesrede“ dem spendablen Stromkonzern E.ON und der titelverleihenden Landesregierung eine Lektion in Sachen unabhängiger Kunst erteilte.

Dass sich ein bekannter Künstler so deutlich dagegen wehrte, von der Wirtschaft als Werbeträger und von der Politik als „kostenloses“ Aushängeschild missbraucht zu werden, ist lange her. Doch es war höchste Zeit, noch einmal auf die rein kommerziellen Interessen der Sponsoren hinzuweisen und den Staat an seine finanziellen wie kulturpolitischen Verpflichtungen zu erinnern. 

Im reißenden Sog der Privatisierungswelle ist es für die öffentliche Hand immer selbstverständlicher geworden, sich von der privaten führen zu lassen. Kaum ein Theaterfestival, Konzert oder Ausstellungskatalog kommt heute noch ohne das Geld, aber auch ohne das Logo oder eine ähnlich werbewirksame Erwähnung der privaten Helfer aus. Vom uneigennützigen und unauffälligen Mäzenatentum früherer Tage ist das Sponsoring unserer Tage meilenweit entfernt. Mit „erlebnisorientierten Kommunikationsstrategien“, also mit der Finanzierung ausschließlich populärer Kulturevents, lassen sich nach einem vom Arbeitskreis für Kultursponsoring beauftragten Gutachten schließlich neue Kunden gewinnen und Steuern sparen. Dank der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ist das imagefördernde Kulturengagement für die Unternehmen als Betriebsausgabe problemlos absetzbar. Was aber nichts anderes heißt, als dass Kunstförderung aus dem Einnahmeverzicht des Staates mitfinanziert wird.

Für kleinere, kritische und innovative Projekte haben die Global Player meist keinen Cent mehr übrig. Welches Unternehmen möchte sich schon mit namenlosen und provokanten Künstlern schmücken. Keines. Bei den weniger rentablen und renommierten Veranstaltungen darf dann Vater Staat wieder einspringen. Aber auch dazu fühlen sich öffentliche Kultureinrichtungen kaum mehr in der Lage und rufen immer lauter nach dem Sponsor als Retter aus der Finanznot wie kürzlich der Deutsche Bühnenverein. Doch der hat naturgemäß andere Interessen als ein demokratisches Gemeinwesen, das kulturelle Vielfalt und Qualität sichern muss. Und bei all dem geht es nicht nur um die Freiheit der Kunst, sondern auch um das kulturelle Selbstverständnis und Selbstbestimmungsrecht der Bundesrepublik.            

Kultur braucht Geld! Keine Frage. Und jeder private Euro zusätzlich ist willkommen, solange er den öffentlichen nicht ersetzt. Die Kultur braucht einen Staat, der für ihre Autonomie finanziell zu jeder Zeit gerade stehen kann und nicht den einseitigen Werbewünschen der Wirtschaft nachgibt. Doch genau das steht zu befürchten, wenn sich der „Fall Thüringen“ weiter wiederholt, der Staat sich weiter seiner Verantwortung entzieht. Dann sind ein VW-Opernhaus oder eine Siemens-Konzertarena nicht mehr weit. Der Ausverkauf der Kultur aber umso näher. Wenn aber die Kultusminister der Bundesländer genauso viel kreative Konsequenz aufbrächten wie Ingo Schulze mit seiner Idee eines privat gestifteten Literaturstipendiums und eines öffentlich finanzierten Literaturpreises, dann kämen alle Beteiligten auf ihre Kosten.    

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