Nichts ist erledigt

Kolumne März 2008

„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, lautet ein beliebter Spruch. Aber was gestern noch in den Schlagzeilen stand, ist längst noch nicht erledigt, nur weil es in der medialen Welt nur noch gelegentlich auftaucht.

In der realen Welt haben die angezeigten Missstände leider kein so schnelles Verfallsdatum. Als Kolumnist hat man das Privileg, allzeit den Finger auf neue und noch nicht verheilte Wunden zu legen. Seit gut einem halben Jahr mache ich hier von dieser Diagnostik Gebrauch, um vergessene oder verdrängte Probleme offen zu legen. 

Was meine wenigen Zeilen allerdings in einer übervollen Medienwelt bewirken, lässt sich kaum messen. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die letzten sechs Monate, um zu sehen, welche der von mir kritisierten Zustände sich zum Positiven oder weiter zum Negativen gewendet haben.

Wie hat sich etwa die unheilvolle Klima-Kooperation zwischen Greenpeace, WWF, BUND und BILD entwickelt? Die jüngst zum Klimagipfel von Bali gestartete Aktion „Licht aus“ hat bewiesen, dass das Band zwischen den ungleichen Partnern noch fester geknüpft geworden ist, weshalb ich von meinen alten Freunden nun leider Abschied nehmen musste. Unverzeihlich, dass bei einigen Verbänden die kurzatmige Publicity über die Glaubwürdigkeit gesiegt hat. 

Gewonnen hat leider auch Star-Scientologe Tom Cruise den vor einem öffentlich-rechtlichen Millionenpublikum verliehenen „Courage“-Bambi des Burda Verlages. Dafür, dass er mutig „gegen den Strom schwimmt“, wie sein prominenter Laudator betonte. Dass er im realen Leben gegen den Strom der Vernunft schwimmt, wenn er einer autoritären Sekte Gesicht und Stimme leiht, war kein Thema mehr. Die Versuche, die selbsternannte „Kirche“ ihrer menschenverachtenden Praktiken zu überführen, haben sich offenbar gelegt. Die vereinigten Feuilletons holen derzeit Luft, um im Sommer die „Walküre“-Premiere mit neuen Kräften zu bejubeln.           

Doch nicht alle Entwicklungen nahmen einen enttäuschenden Verlauf. Dem engagierten Widerstand vieler Bahnfahrer und den Delegierten des SPD-Bundesparteitages ist es zu verdanken, dass DB-Chef Mehdorn seine Pläne zur Teilprivatisierung aufs Abstellgleis schieben musste. Aus der Enteignung des Volkseigentums wird vorerst nichts. Auch einige Kommunen haben inzwischen erkannt, dass die Veräußerung eigener Dienstleistungen und Immobilien langfristig mehr Schulden und Risiken birgt, als Gewinne abwirft.      

Dem Engagement einiger Innenminister und dem DGB ist es zu verdanken, dass ein NPD-Verbot auf der politischen Agenda bleibt. Inzwischen fordern immer mehr Politiker und Initiativen dazu auf, endlich mit „Recht gegen Rechts“ vorzugehen, um den Skandal zu beenden, dass die Gegner der Demokratie mit öffentlichen Geldern ihre Aktionen finanzieren können. Es wird sich zeigen, wie wehrhaft die viel beschworene wehrhafte Demokratie tatsächlich ist. 

Standhaft blieb die Regierungskoalition auf Drängen der Sozialdemokraten bisher beim „Mindestlohn“ für die Postdienstleister. Die von der PIN AG und anderen Unternehmen mit dem Argument der Unrentabilität entlassenen „Billig-Arbeiter“ finden hoffentlich Zuflucht bei der Post, wo es jetzt für gute Arbeit auch einen gerechten Lohn gibt.

Der Schnelldurchlauf durch einige Kolumnen bestätigt nicht nur mein Motto „Nichts ist erledigt“, sondern beweist hin und wieder auch die Devise „Nichts ist vergeblich“. 

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