Kolumne April 2008
Wolfgang Clement und Hans Apel sind es. Heiner Geißler, Norbert Blüm, aber auch Hans-Dietrich Genscher sind es. Politiker im Unruhestand.
Von ihren Parteifreunden oft mit einflusslosen Ehrenposten belohnt und von den Medien als politische Meinungsmacher weitgehend abgeschrieben. Doch sind sie für Fernsehen, Funk und Presse allemal wieder interessant und als Gesprächspartner heiß begehrt, wenn es darum geht, amtierenden Politikern der eigenen Truppe am Zeuge zu flicken. Denn Kritik aus dem eigenen Lager ist allemal aufsehenerregender und effektvoller, als die obligatorischen Angriffe des politischen Gegners. Dann schenken die konfliktprovozierenden Stimmungsmacher den „Unruhestiftern“ wieder ihr Ohr und schalten alle Kanäle für sie frei. Und das bekannte Hamburger Gerüchteblatt hilft dann gern noch mal etwas nach und schreckt auch nicht vor erfundenen Konflikten zurück.
Es sollte niemand wundern, dass Hans Apel den Kursschwenk von Kurt Beck als Wahlbetrug bezeichnet hat und schon mal vorsorglich mit dem Parteiaustritt droht. Während hingegen Clement durch seine ähnlich rüde Kritik am Parteivorsitzenden die Basis derart gegen sich aufgebracht hat, dass sie sich von ihrem lieben Genossen Wolfgang lieber heute als morgen verabschieden würde. Klar, jeder Fall liegt wieder etwas anders. Dennoch haben alle Parteien das Problem, wie sie mit ihren – aus welchen Gründen auch immer – ausgeschiedenen Mandatsträgern angemessen umgehen sollen.
Die Ehemaligen greifen ihre Nachfolger im Amte aber in der Regel nicht nur an, weil sie sich politisch im Recht fühlen. Sondern auch, weil Einige von den süßen Drogen Politik und Publicity einfach abhängig sind. Wer ein Leben lang auf der Polit-Bühne, vor Kameras, Mikrofonen und in den Schlagzeilen gestanden hat, dem kann man den Hunger nach Beachtung nicht so ohne weiteres verübeln. Macht kann süchtig machen, aber sie muss einem nicht gleichzeitig die Sinne vernebeln. Ein positives Beispiel ist Norbert Blüm, der zu Recht den Einfluss von Versicherungs-Lobbyisten auf die Rentenpolitik der jeweiligen Regierungskoalitionen kritisiert. „Ich werde mich auch in Zukunft mehr zu Wort zu melden, als manchem lieb ist.“, hatte der ehemalige Arbeits- und Sozialminister kurz nach seinem Ausstieg aus dem Bundestag prophezeit. Er hat seine Drohung wahr gemacht. Zum Leidwesen der CDU, aber zum Nutzen der öffentlichen Debatte. Also nur keinen Maulkorb für alle, die nicht mehr in Amt und Würden sind.
Es ist eine Schwäche unserer Mediendemokratie, dass Politik und Politiker von den Medienmachern zunehmend nach ihrem Unterhaltungswert beurteilt und eingesetzt werden. Sie profitieren zuallererst von kleinen Konflikten, die dann zu großen Skandalen aufgeblasen werden. Und steigern somit Gewinn und Quote. Zudem erweist sich die regieführende Parteispitze einen Bärendienst, wenn sie die nicht mehr Aktiven einfach ignoriert. Schon um sie sich nicht dauerhaft zu Gegnern zu machen, sollten sie deren Ansehen und Erfahrung nutzen.
Statt sich also auf bequemen Talkshowsofas zu produzieren oder sich in den Spalten der Bild-Zeitung wiederzufinden, müssten „Ausgeschlossene“ und „Angeschlossene“ alsbald einen Weg der Verständigung finden. Um miteinander und nicht gegeneinander zu agieren. Das würde nicht nur der Sache gut tun, sondern auch den Akteuren. Denn die beste Medizin gegen den Mangel an Aufmerksamkeit ist immer noch Vernunft und Solidarität.