Kolumne Juli 2008
Endlich kostenlos Fernsehen und das rund um die Uhr. Immer neue Kochsendungen, sentimentale Seifenopern oder brandheiße Boulevardmagazine mit Enthüllungen der besonderen Art. Nur unterbrochen von vielen bunten Werbespots mit ultimativen Kaufanreizen, deren Finanziers wir ein solches Programm dann verdanken. Vor allem keine Belästigung durch politische Sendungen. So könnte die Zukunft von ARD und ZDF aussehen, wenn nur noch die „Demokratie des Marktes“ und nicht mehr Gebühren das Programm bestimmen.
Also frei nach Parolen wie „Her mit der ZDF-Aktie!“ (FR vom 25.Juni) oder „Schafft die Gebühren ab!“ (FAZ vom 16.Juni), wie es marktgläubige Feuilletonisten und Kolumnisten dieser Tage wieder einmal gefordert haben? Nein danke! Die umtriebigen Privatisierer haben schließlich schon genug öffentlichen Schaden angerichtet. Post, Telekom und bald auch die Bahn lassen grüßen.
Dabei lässt sich schwer leugnen, dass auch für die Öffentlich-Rechtlichen die ewigen Casting-, Reality- und Quizshows längst zur Grundausstattung gehören, wenn auch nicht ganz so primitiv wie auf den Privatkanälen. Und es stimmt, dass anspruchsvolle Politiksendungen und Kulturmagazine kontinuierlich Sendezeit verlieren, ins Nachtprogramm oder auf Spartenkanäle geschoben werden und immer häufiger die Quote zählt und nicht die Qualität. Dabei soll nicht verkannt werden, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen das Massenpublikum nicht aus dem Blick verlieren dürfen und es schwerer wird, sich der medialen Verblödungsspirale zu entziehen. Deshalb müssen sie immer wieder an ihren festgeschriebenen Bildungsauftrag erinnert werden. Zum Teufel also mit Burdas Bambi-Preisverleihung, Springers „Herz für Kinder“-Sendung und dem Medien-Osgar der Bild-Zeitung, auch wenn dabei ein Helmut Schmidt als Feigenblatt auftritt.
Wer vom Privat-TV-Total träumt, sollte sich der Konsequenzen einer solchen Entwicklung im Klaren sein. Welches Fernsehunternehmen möchte sich schon kritische Nachrichtenmagazine leisten, die womöglich die unlauteren Geschäftspraktiken seiner Kunden aufdecken. Von Kultur ganz zu schweigen. Schließlich gibt es dafür bei den Privaten nicht einmal eine Zuständigkeit, geschweige eigene Sendeplätze. Wer also für die völlige Privatisierung ist, möchte die viel beschworene Vielfalt durch vielfältige Einfalt ersetzen.
Wie privat finanziertes und regiertes Fernsehen wirklich aussieht, führt uns der italienische Ministertpräsident Silvio Berlusconi seit Jahren vor. Statt Meinungsbildung und Meinungsvielfalt stehen Meinungsmache und Meinungsverbote auf dem Programm. Vom Wechselspiel zwischen freiem Wettbewerb und freien Medien ist jenseits des Brenners kaum noch etwas zu spüren. Genau so wenig übrigens wie bei unserem Nachbarn Frankreich, wo derzeit Nicolas Sarkozy den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar von allen Werbeeinnahmen, aber nicht von seinem ganz persönlichen politischen Einfluss unabhängig machen möchte.
Eine aufgeklärte Demokratie darf sich weder das italienische noch das französische System leisten. Auch wenn das deutsche seine Schwächen hat, ist es immer noch das beste in Europa. Mir jedenfalls ist es lieber, wenn ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung über die Programmgestaltung wacht, als dass omnipotente Manager oder Ministerpräsidenten sich der Medien selbstherrlich bedienen. Dann herrscht trotz aller bunten Bilder nur noch das Grau in Grau partei- und wirtschaftsfreundlicher Inhalte.