Kolumne September 2008
Als ich vor Jahren als Tagestourist auf dem Schwielowsee eine Kahnfahrt machte, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass einmal am Rande dieses idyllischen Gewässers ein Hauch von Geschichte wehen würde. Aber wer kennt sich schon aus in den Untiefen der Provinz.
Ob das Geschehen an jenem Sonntag nun ein Putsch war oder nicht, darüber mögen sich Historiker streiten. Ein Herr Wehler aus dieser Zunft hatte dem „Waldschrat“ Beck erst kürzlich bescheinigt, dass er in den Wäldern der Pfalz allemal besser aufgehoben sei, als in der Großstadt Berlin.
Jedenfalls kam die robuste Parole „Beck muss weg“ am Ende der Treibjagd dann doch zu einem schnellen Ende. Dass er in einigen Zeitungen und einem Montagsmagazin schon weg war, bevor er tatsächlich weg war, gehört inzwischen zu einem System, das wir halb entschuldigend Umfragen- und Mediendemokratie nennen. Was an derartigen Verwerfungen noch demokratisch ist, bleibt die Frage,
Dass bei all dem die Medien eine führende Rolle spielen, bestreiten sie selbst nicht mehr. Vor allem die Großen sonnen sich in ihrer Entscheidungskompetenz und handeln danach. Die Kleinen ziehen nach und rotten sich schon mal zu Rudeln zusammen. Die Informanten – man könnte sie auch Spitzel nennen – hocken überall. Eingekeilt zwischen diesen Zulieferern und den Lobbyisten wird der Spielraum dessen, was man Politik nennt, immer enger. So bleibt in Zeiten des Lunger- und Lauerjournalismus kaum mehr Raum für notwendige Phasen des Nachdenkens und Abwägens.
Die Ereignisse der letzten Wochen belegen, dass die zuständigen Gremien oft nur noch ein Schattendasein führen. Auch die Parteitage stehen schon länger in Verdacht, Akklamationsbühnen geworden zu sein. Denn die Entscheidungsketten von unten nach oben – man nennt das demokratisch – werden immer öfter obsolet.
Im Schwielowsee wurde mehr versenkt als eine innerparteiliche Querele. Die viel beschworene Solidarität droht zunehmend zu einer nostalgischen Erinnerung zu werden. Kurt Beck blieb sie zum Schluss verwehrt. Unter Linksverdacht geraten, musste er mit ansehen, dass inzwischen andere Herr des Verfahrens waren. Die ominösen Leute aus der zweiten Reihe hatten ganze Arbeit geleistet. Er war jedoch nicht das erste Opfer einer konzertierten Aktion des gemischten Doppels von Bild-Zeitung und Spiegel und ihrer Helfer.
Andererseits hieße es, die Macht der Medien zu überschätzen, wollte man sie allein für die jüngsten Vorgänge verantwortlich machen. Ohne die Zuträger aus den jeweils eigenen Reihen würden auch sie alt aussehen, wie die sprichwörtliche Zeitung von gestern. Wer den Teufel reitet, wird ihn so schnell nicht wieder los. Denn es gibt nun einmal keine zweite Reihe ohne eine erste. Schon steigen die Jäger auf ein neues Objekt der Begierde um. Denn in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf wird schon mal die These von der vierten Gewalt wörtlicher genommen. Dem seriösen Journalismus zum Trotz, den es selbstverständlich noch gibt.
Wenn all dem so ist, wird es höchste Zeit für Gegenstrategien, damit die Verdrossenen nicht noch verdrossener werden. Noch besteht keine Pflicht, Bild zu kaufen, den Spiegel übrigens auch nicht. Denen ‚oben‘ sei noch gesagt: Die ‚unten‘ haben euch gewählt, damit ihr sie vertretet und deshalb solltet ihr auch auf sie hören. Es heißt, die Talkshow habe den Ortsverein abgelöst. Gefragt ist wieder das kritische Gespräch, die Einmischung der viel gepriesene Basis, soll die Demokratie nicht tatsächlich zum Auslaufmodell werden.