Kolumne Oktober 2008
Da können derzeit noch so viele Privat- und Landesbanken Konkurs anmelden. Da können die Kurven von Dow Jones, Nikkei und DAX noch so sehr in den Keller rutschen. Die globale Finanzkrise ficht den Finanzminister von Nordrhein-Westfalen ebenso wenig an wie der Protest von über 6.000 Sparkassenmitarbeitern, die Ende September in der Landeshauptstadt gegen den drohenden Ausverkauf ihrer Bankinstitute demonstriert haben. CDU-Mann Helmut Linssen möchte sein unausgegorenes Sparkassengesetz übernächste Woche auf Teufel komm raus durch den schwarz-gelb dominierten Landtag bringen. Koste es, was wolle: Tausende von Arbeitsplätzen, Millionen an Kultur-, Sozial- und Sportförderung.
Mag Linssen seinen zahlreichen Kritikern aus Opposition, Gewerkschaft und Verbänden in den letzten Monaten auch noch so oft versichert haben: „Der Verkauf wird im Gesetz ausgeschlossen“. So ist diese Rückversicherung doch keinen Euro wert. Öffnet das Gesetz den Kasinokapitalisten doch durch die Hintertür den Weg zu den öffentlich-rechtlichen Tresoren. Und zwar mit der Einführung des ominösen „Trägerkapitals“, auf das Kommunen und Gemeinden im Bedarfsfall hundertprozentig zugreifen können. Geht es denen schlecht, könnten sie damit ihre Haushaltslöcher stopfen, im Extremfall die Sparkassen sogar an den Meistbietenden verkaufen. Und welcher Stadtkämmerer wird mit Blick auf seine klamme Kasse der Versuchung langfristig widerstehen können, öffentliches Tafelsilber in private Hände zu übergeben.
Und wenn dank dieses Gesetzes die Vorstandmitglieder der schwer angeschlagenen WestLB vollends das Ruder in 2.500 Sparkassenfilialen übernehmen, dann wird sich der einfache Sparer womöglich auf noch stürmischere Zeiten einrichten müssen. Sollte Linssens Finanz-Novelle in knapp vierzehn Tagen von der christlich-liberalen Regierungskoalition durchgewunken werden, dann bestimmen alsbald renditehungrige Risikokapitalisten, wohin die Reise geht und nicht mehr das in den Sparkassenstatuten festgeschriebene Prinzip der „Gemeinnützigkeit“. Dann müssen womöglich nicht nur einkommensschwache Bürger um ihr Konto, sondern auch viele Sportvereine, Sozialverbände und Kultureinrichtungen um immense Fördersummen bangen. Mit mehr als 142 Millionen Euro war die Sparkassen-Finanzgruppe im letzten Jahr der größte nicht-staatliche Kultursponsor in Deutschland.
Anders als die großen Privatbanken schielen die „kleinen“ Sparkassen bei der Vergabe ihrer Gewinne eben nicht auf schnell verpuffende, imagefördernde Kulturevents, sondern investieren in kulturfördernde Projekte. Mögen sie so klein sein wie die archäologischen Ausgrabungen in Zwickau oder so groß wie der Nachwuchswettbewerb „Jugend musiziert“. Sie sind sich nicht zu schade, lokalen Schülertheatern, Chören oder Heimatmuseen unter die Arme zu greifen. Mit ihrem finanziellen Engagement stärken sie das kulturelle Engagement in den Regionen und damit die kulturelle Vielfalt bundesweit. Ohne die Finanzspritzen der kommunalen Kreditinstitute gäbe es wohl bald nur noch Picasso-Ausstellungen und Beethoven-Konzerte mit weltbekannten Orchestern in Berlin, Hamburg oder München. Nicht nur als ehemaliger Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sondern auch als gemeinwohlorientierter Bundespräsident hat Horst Köhler recht, wenn er sagt: „Sparkassen sind gut für Deutschland“. Das Sparkassengesetz aus Nordrhein-Westfalen ist es mit Sicherheit nicht. Darum: Hände weg von den Sparkassen!