Kolumne März 2009
Immer wieder LIDL. Erinnert sich noch jemand an den großen Skandal um den Billigheimer vor fünf Jahren? Der Discounter geriet in die Schlagzeilen, weil er in seinen mehr als 2500 deutschen Filialen gerade einmal in acht einen Betriebsrat duldet. Als sich in einem Schwarzwaldort einer bilden wollte, schloss man kurzerhand die ganze Niederlassung. An dieser Firmenpolitik hat sich genauso wenig geändert, wie an den miserablen Arbeitsbedingungen bei LIDL. Es bleibt bei billig durch Ausbeutung.
Als dann vor einigen Monaten öffentlich wurde, dass der Krake seine Beschäftigten via Detektive und Kameras ausspionierte, zahlte das Unternehmen 1,5 Millionen Euro Strafe aus der Portokasse und machte fröhlich weiter. Da wundert es kaum noch, dass im Schwarz-Imperium auch systematisch Krankendaten von Mitarbeitern ausgespäht und gespeichert wurden. Dass nun der LIDL-Deutschland-Chef mit sofortiger Wirkung konzernintern ausgetauscht wurde, ändert nichts am System LIDL.
Ein ähnliches System versucht in diesen Tagen einen ähnlichen Makel auf andere Weise los zu werden. Durch eine Freundlichkeitsoffensive, die ihres Gleichen sucht. Glückliches Berlin. Auf 800 Großflächenplakaten wird erklärt: „Hier schlägt das Herz“. Und auf dem großen roten Herz steht in einer Art Kinderschrift: „Unser Herz schlägt für Kaiser’s, weil wir ein Teil Berlins sind“. Welcher Logik dieser kryptische Satz auch immer folgt, gehalten wird das Herz von einer Strahlemannschaft. Alles offenbar fröhliche Mitarbeiter der Kaiser’s-Kette im Oberkellneroutfit. 24 von 5000, die namentlich für die frohe Nachricht zeichnen.
Auch um dem Ganzen noch Gewicht zu verleihen, posiert die Gruppe vor dem Brandenburger Tor, wie das viele tun, die der eigenen Botschaft nicht ganz trauen. Und um die Verbundenheit all der Mitarbeiter mit den lieben Berlinern auf die Spitze zu treiben, wünschte Kaiser’s in Zeitungsanzeigen ein Frohes Osterfest. Logisch, dass diesmal der Text auf dem von Kinderhand gehaltenen Herzen lautet „Mein Herz schlägt für ‚Frohe Ostern‘ „.
Die von der Mehrheit der Bundesbürger sehnsüchtig angestrebte Wohlfühlgesellschaft, bei den Mitarbeitern der Kaiser’s-Kette, pardon, dem Team, ist sie längst verwirklicht. Ganz selbstlos nehmen sie zusammen mit ihrer Firmenleitung dabei in Kauf, dass die Konsumgesellschaft, von der sie schließlich leben, schrumpft.
Welch ein Zufall. Die Werbekampagne wurde just in dem Augenblick gestartet, in dem Kaiser’s in aller Munde ist. Nicht wegen Mitarbeiterfreundlichkeit. Im Gegenteil. Für bundesweite Schlagzeilen und Empörung sorgte der Fall „Emmely“, wie er inzwischen etwas kumpelhaft genannt wird. Wer es immer noch nicht weiß, bei „Emmely“ handelt es sich um die Kassiererin Barbara E., der nach 31 Jahren bei Kaiser’s gekündigt wurde, weil sie zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro veruntreut haben soll. In einer Zeit, in der Banker auf Kosten der Sparer und Steuerzahler bisher folgenlos Milliarden versenkt haben, ein besonders bizarrer Fall.
Werbestrategisch ist die Kette jedenfalls dennoch schlecht beraten. Nachtigall… Diese kundenorientierte Umarmung gibt aber auch einen Hinweis auf die Macht des Kunden. Der Verbraucher ist die wundeste Stelle jedes Unternehmens dieser Art. Als Ignorant wird er deshalb schnell zum Mittäter. Kaiser’s gehört übrigens zu Tengelmann. Das ist jener fürsorgliche Konzern, der 1994 anlässlich einer Bundestagswahl in ganzseitigen Anzeigen eindringlich für die Wiederwahl von Kanzler Kohl warb.