Kolumne 29. April 2009
Hockenheim – alle zwei Jahre war es bisher für einen Sonntag der Nabel der Formel1-Autowelt, wenn sogar japanische und chinesische Kommentatoren für die andere Seite des Globus „Hockenheim“ in ihre Lautsprache übersetzen mussten. Damit könnte es bald vorbei sein, wenn der Hockenheimring aus dem Rennen geht. Ein Schreckensszenario für Autolobby und Hotelerie – aber, warum nicht auch die berühmte „Chance in der Krise“?
Als gute Nachricht für alle, die Autorennen und Umweltbelastung in einen Zusammenhang bringen und natürlich auch für die Stadtkämmerer von Hockenheim. Sie haben im vorigen Jahr 5,3 Millionen € verloren, in diesem drohen es 6 zu werden. Und im nächsten? Da liefe der Vertrag mit Bernie Ecclestones Gesellschaft, dem Formel1-Betreiber, aus, der dann noch einmal 20 Millionen vom Veranstalter für das letzte Rennen abfordert. Steuern und Werbeeinnahmen sind an der Stadt bisher vorbeigeflossen. Und selbst Michael Schumacher kann sich nicht mehr vorstellen, warum der Staat mit öffentlichen Geldern zur Rettung der Ring-GmbH einspringen sollte.
Aber vielleicht passt Ecclestone mit seinem Milliarden-Privatvermögen noch einmal seine Preise an die Hockenheimer Finanzlage an. Doch für die Haushälter wäre das wie ein Boxenstopp mit Slicks im Regen ohne Aussicht auf Reifenwechsel. Ihre Probleme blieben die gleichen und der Formel1-Zirkus würde schnell andere Manegen finden. Kanada steht bereit, während sich in Australien bereits viele die Augen reiben angesichts roter Zahlen und zukünftiger Verluste.
Formel 1 ist eine Geldmaschine, ein Geschäft, das sich als Sport ausgibt, und so die lebensgefährliche Beschäftigung junger Männer, mit Höchstgeschwindigkeit Werbelogos in Richtung Ziel zu transportieren, legalisiert. Dabei wird billigend in Kauf genommen, die Umwelt vor den Augen hunderter Millionen Fernsehzuschauer auf effektivste Weise zu schädigen. Sollen die Pole doch schmelzen und die Eisbären sich vor Hunger gegenseitig auffressen – in Bernie Ecclestones Geschäftsmodell kommen derartige sentimentale Feststellungen nicht vor.
An jedem Montag nach dem Rennen dröhnt das Geräusch der sogenannten „Boliden“ noch aus den Sportseiten der Zeitungen, die uns die Heldengeschichten erzählen. Wir sollen glauben, dass Deutschland wieder einen Superstar gefunden hat, wir lesen von Intrigen, Lügen und einem alles verändernden Diffusor. Wir sollen das Gefühl haben, in 14 Tagen unbedingt wieder dabei sein zu müssen, damit die TV-Quote stimmt und das Werbegeschäft wieder Geld einsammeln kann. Nein, Verweigerung gibt es nicht. Mercedes Sportchef Norbert Haug: „Deutschland wird immer einen Grand Prix haben, alles andere ist unvorstellbar!“ Auch die Junge Union Rhein-Neckar sendet Alarmsignale: der Hockenheimring müsse als Event-Location erhalten bleiben, ein Ende der Rennstrecke sei gerade im „Autoland Baden-Württemberg“, siehe Norbert Haug, einfach „unvorstellbar.“ Was wäre vorstellbar? Vielleicht, dass jene Medien, die zu Recht keine Klima-Katastrophenwarnung auslassen, auch einmal auf den Sportseiten mit der gleichen Akribie, wie sie uns den Diffusor erklären, die Zusammenhänge von Renn-Geschwindigkeitsrausch, ungehemmter Automobilisierung und Klimazerstörung beschreiben. Sollten Hockenheim und vielleicht auch der Nürburg-Ring, zurzeit eine der größten und teuersten Baustellen in der Region, als Formel-1 -Kampfplätze ausgemustert werden, käme das manchen Zeitgenossen einer Katastrophe nahe. Aber lieber rechtzeitig ausgestiegen als mit 300 km/h ins Millionengrab gefahren!