Monopoly

Kolumne 29. Mai 2009

Es geschah vor nicht langer Zeit in Berlin-Moabit und inzwischen sicher auch hier und da in Deutschland. Kommt einer ins Spielcasino, zückt die Pistole und verlangt die Tageseinnahmen. Drei Stunden später klingelt die Polizei, holt das Geld wieder ab und natürlich auch den Täter. Was hat der falsch gemacht? Alles, weil er den Casino-Kapitalismus vollkommen missverstanden hat.

Bei entsprechendem Studium der Wirtschafts- und Finanz-Seiten in der Presse, wo täglich viele schöne Beispiele für gelungene Coups beschrieben werden, wäre dies nicht passiert. Vorausgesetzt ein paar Bedingungen für die Teilnahme am Zocker-Spiel sind gegeben: zum Beispiel Startkapital, Risikofreude und die Aussicht, eben nicht haftbar gemacht werden zu können, wenn es schief geht. 

Der Begriff „Casino-Kapitalismus“ ist wieder gesellschaftsfähig geworden. Der Bundespräsident hat ihn schon benutzt, der Kanzlerkandidat und natürlich der DGB-Chef; er hat es ins Hoch-Feuilleton geschafft und man findet ihn sogar schon auf den Lokalseiten. Deshalb, bevor er als Allgemeinplatz geächtet und in die Unwort-Ecke verbannt wird, wollen wir ihn noch einmal mit seinen Kunststücken vorführen. Schöne Zockerrunden gab es, wer sich noch erinnert, zwischen Bayer und Merck um die Schering-Übernahme. Aktienwerte stiegen in schwindelnde Höhen. Alle konnten am Spieltisch nur gewinnen, insgesamt eine halbe Milliarde Euro – nur die freigesetzten Arbeitnehmer hatten sich mit den Synergieeffekten zu trösten. Beispiel Zwei: Wendelin Wiedeking, das höchstbezahlte deutsche Manager-Wunder, hat seine strategischen Fähigkeiten – so las man – offenbar beim Austricksen von Familie und Freunden im Monopolyspiel trainiert. Doch mit der Übertragung dieser Erfahrungen ins Pokern um die VW-Anteile scheint er irgendetwas übersehen zu haben, mindestens die Zinsen, die für 9 Milliarden Euro Schulden bei sinkenden Porsche-Verkaufszahlen anstehen. Also, wir lernen, Casino-Kapitalismus kann gefährlich werden, wenn man ihn mit Monopolyregeln weiterspielen will.

Noch ein Fall. Diesmal nicht aus der Hochfinanz sondern aus Mecklenburg-Vorpommern. Das ist seit dem letzten Armutsbericht der tiefrote Streifen rechts oben auf der Landkarte. Dort sind Privathaushalte mit mehr als 3,6 Milliarden Euro verschuldet. Tendenz, abhängig von den Arbeitslosenzahlen, steigend. Zugleich werben Banken und Handel immer aggressiver mit Konsumkrediten, und je größer der Zinssatz desto kleiner das Kleingedruckte. Vor allem junge Leute lassen sich nicht nur bei Handy-Verträgen zu hochriskanten Kreditgeschäften verführen. Das ist der Casino-Kapitalismus für Arme, wenn Leben auf Pump Alltagsverhalten wird. Übrigens: Schuldner-Beratungsstellen können sich die finanzklammen Kommunen kaum noch leisten. 

Schulden, wohin man sieht! Und ein großes Schuldenloch klafft derzeit im Casino-Hauptquartier Las Vegas. Kirk Kerkorian, einer der Platzhirsche, muss sein 8,5 Milliarden Dollar Bauprojekt „City Center“ wahrscheinlich begraben, weil er schon mit 14,4 Milliarden in den Miesen steckt. Grund: die Spielerzahlen sind drastisch zurückgegangen, seit sich bei vielen Amerikanern der Spaß am einarmigen Banditen wegen Finanzmangel nicht mehr einstellen will.
Casino-Kapitalismus auch in Boris Beckers neuem Internet-TV. Schon seit 2007 wirbt www.pokerstars.de mit Beckers Gesicht, das aus Imagegründen für die Branche mal richtig verschlagen dreinschauen muss. Jetzt ziert es auch die Pokerseiten der neuen eigenen Homepage, die endlich zeigt, „wie er wirklich ist“. 

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