Kolumne März 2010
Von der Sicherheit im Internet ist immer öfter die Rede. Es fehlt nicht an Ermahnungen und Aufrufen, wir sollten sorgsamer mit unseren persönlichen Daten umgehen, die wir freiwillig oder unfreiwillig mit beinahe jedem Mausklick preisgeben. Die Auswertungsmaschinen lauern auf unser Datenfutter und letztlich sind wir ahnungslos, was mit all unseren Informationen geschieht. Wir freuen uns an schnellen Google- oder ebay-Ergebnissen und unser Misstrauen wird nicht einmal geweckt, wenn nach einigen Internet-Einkäufen das Angebot auf dem Bildschirm erscheint: „Das könnte Sie auch noch interessieren!“.
Die Suchmaschine, die meine Interessen kennt. So wird aus Argwohn Vertrauen.
Bei allen Vorzügen des Internets, bei allem Vergnügen, die weltweiten Wissens- und Unterhaltungsquellen kostenlos anzapfen zu können – wir sind doch ahnungslos, was die dunkeln Seiten des www betrifft. Mühelos lassen sich die Einstiegsluken finden, um in pornographische, rassistische, Hass predigende, die Geschichte verfälschende und betrügerische Inhalte abzutauchen. Kaum eine Warnmeldung hält uns auf.
Für eine Recherche über Neonazi-Seiten im Netz und über die Wachsamkeit, mit der YouTube angeblich „bedenkliche Inhalte“ löscht, sobald die Plattform davon erfährt, erhalte ich statt dessen von YouTube immer neue Empfehlungen in Sachen Nazipropaganda. Nach „Waffen-SS in Feindesland“ ein schon 36.000 mal von Nazi- und Militaria-Freaks aufgerufener Marsch mit Filmeinspiel, hatte ich gar nicht gefragt. Er wird mir ohne Zugangssperre offeriert. Als Zugabe gibt es noch perfidere Kost-proben, zum Beispiel aus der italienischen Neonazi-Szene wo auch offen antisemitische Karikaturen erscheinen – das Portal gibt immer neue Ratschläge bis irgendwann tatsächlich zu lesen ist: „Dieses Video ist in Deinem Land nicht verfügbar.“ Doch was stattdessen empfohlen wird, steht dem gesperrten kaum nach, Hitlerjungen marschieren unter Hakenkreuzfahnen und Gesängen. Einen Link zu diesem Video erhält man auch über „Metapedia, die alternative Enzyklopädie“. Hier beim tiefbraunen Pendant zu Wikipedia wabert Nazigeist pur. Im Impressum wird „NFSE media AB, Sweden“ als Urheber genannt. Offenbar eine sichere Adresse um in 11 Sprachen mit ungebrochener, aufgefrischter Naziideologie international zu wirken. Horst Wessel bekommt eine Heldenbiographie wie einige hundert andere sogenannte „Blutopfer“. Rassenideologie wird hemmungslos verbreitet als hätte es den Holocaust nie gegeben. Dieser wird stattdessen als „Schuldindustrie“ und „Shoah-Business“ diffamiert. Für die Relativierung des Massenmords verweist ein Link auf den Leugner Garaudy. Mit mehr als 7000 deutschen Artikeln von teilweise erheblichem Umfang und eifrig aktualisiert folgen wir nach 83.000 (!) ungarischen vor 5.000 englischsprachigen auf dem zweiten Platz.
Wenn über Sicherheitskonzepte für das Internet geredet wird, dann sollten wir nicht nur an leichtfertig ins Netz gelangte Fotos und Kontonummern denken. Sicherheit heißt auch, für eine weltweite Ächtung von Hass-Propaganda und Nazi-Inhalten im Internet einzutreten. Wer als Betreiber und Autor solcher Portale ausfindig gemacht wird, sollte einer weltweiten Verfolgung sicher sein. Hier endet die „Freiheit der Andersdenkenden“, wenn diese eine freie Gesellschaft insgesamt bedroht. Es bleibt richtig, das Verbot der NPD zu fordern. Dabei darf nicht aus dem Auge verloren werden, über welch grenzenlose Verbreitung der braune Propagandaapparat auch ohne Partei bereits verfügt.