Kolumne 2. März 2010
Die Bundesrepublik Deutschland definiert sich gerne als Kulturstaat. Aber was heißt das eigentlich, wenn die Etats von Orchestern, Museen und Bibliotheken stetig gekürzt werden? Bislang konnten wir noch stolz sein auf unsere blühenden Kulturlandschaften. „Kultur für alle“ war vor 30 Jahren das proklamierte Ziel. Lange wird es jedoch nicht mehr dauern, bis in immer mehr Kommunen die Lichter ausgehen und eine Kultureinrichtung nach der anderen verschwindet, die meisten ohne Wiederkehr. Denn viele Städte und Gemeinden können sich Kultur kaum noch leisten. Pleite waren sie schon bisher, heute sind sie pleiter denn je.
Mit der Finanzkrise brach die Konjunktur ein und damit auch die Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Der Bund, ohnehin schon mit 1,6 Billionen Euro in der Kreide, verabschiedet in seiner Hybris jetzt noch das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, besser: Klientelbefriedigungsgesetz Es beschert nach Schätzungen des Deutschen Städtetages allein den Kommunen Steuerausfälle von 1,8 Milliarden Euro, die natürlich auch für die Kulturfinanzierung fehlen. Die katastrophalen Folgen für die Stadt als Lebensraum und als demokratisches Gemeinwesen sind da noch gar nicht mit eingerechnet.
Allein in Nordrhein-Westfalen schultern viele Kommunen 80 Prozent der Kulturausgaben. Wenn Bund und Länder den Gemeinden immer neue Aufgaben zuweisen und sie mit Gesetzen knebeln, bleiben nicht nur Wuppertal, Dessau oder Stuttgart kulturell auf der Strecke. Wuppertal schließt Stadtteilbibliotheken und bis 2012 vermutlich sein Schauspielhaus, Dessau kämpft trotz radikaler Kürzungen um den Fortbestand seines Theaters und in Stuttgart bangt man um die Zukunft des renommierten Kunstvereins.
In der Summe steht aber weit mehr auf dem Spiel. „Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft… Deshalb ist es aus gesellschaftspolitischer Sicht kontraproduktiv mit Streichungen im Bereich der Kultur die Haushalte sanieren zu wollen“, bekannte Kulturstaatsminister Neumann. Sein Vorgänger Naumann formulierte es kürzlich noch deutlicher: „Deutschlands Freiheit wird in Wahrheit nicht am Hindukusch verteidigt, sondern in den Theatern, Konzertsälen, Opernhäusern, Museen und Buchläden und natürlich in den Schulen.“ Recht haben sie. Aber die Nagelprobe für solche Sätze muss die Politik erst noch bestehen. Für die Sanierung der Banken standen Milliarden bereit, die Kommunen müssen sich jeden Cent erbetteln.
Machen wir in diesen Zeiten im Kampf um Kultur, Freiheit und Solidarität also die Stadtkämmerer zu unseren Verbündeten und nicht zu Gegnern. Wenn Kunst und Kultur tatsächlich Lebensmittel sind – wie wir immer behaupten – haben die Kulturschaffenden allen Grund, selbstbewusst aufzutreten. Das ritualisierte Jammern nach dem Motto ‚überall darf gekürzt werden, nur nicht bei der Kultur‘, bringt uns nicht weiter, denn in der Demokratie ist nichts sakrosankt. Die jüngst installierte Gemeindefinanzierungskommission kann nicht schnell genug handeln und der vorgeschlagene „Nothilfefonds für Kommunen in Finanznot“ ist verfassungsrechtlich anfechtbar. Der Bund muss Prioritäten setzen. Wenn deutsche Museen jährlich 113 Millionen Besucher zählen, die erste und zweite Bundesliga aber nur 17,8 Millionen, beweist das erneut: Kunst und Kultur sind kein Luxus, denn sie bestimmen Lebensqualität für Millionen. Wer sie kaputt spart, vernichtet unverzichtbare Güter für die Gemeinschaft in nun einmal schwierigen Zeiten.