Kolumne 9. März 2010
Ohne Neugier kein Fortschritt und keine Aufklärung. Ohne Neugier aber auch kein Klatsch und keinen Tratsch. Neugier ist menschlich, aber nicht immer menschenfreundlich. Die Promipostille „Bunte“ beweist das ihren neugierigen Lesern jeden Donnerstag von Neuem. Dabei macht die Illustrierte vor kaum etwas Halt. Außer vor der Seriosität.
So zweifelhaft wie die Methoden sind auch Ergebnis und Bedeutung der Enthüllungsrecherche. Was sagen schon die Bilder eines verliebten Müntefering, Oettinger oder Wulff über deren Politik aus? Nicht mehr, als dass sie auch Menschen sind. Da kann sich Frau Riekel noch so sehr auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts berufen, die Politikern eine gesellschaftliche Vorbildfunktion attestiert. Deren Liebesleben dürften die Richter aus Karlsruhe wohl nicht dazu zählen. Ihre Intimsphäre muss für die Öffentlichkeit solange tabu sein, wie sie nicht gegen geltende Gesetze verstößt oder ihre Arbeit direkt beeinflusst. Wer wie die „Bunte“ über die „Sex-Tipps der Stars“ berichtet, dem steht die Rolle des Moralwächters schlecht an. Doppelmoral und Scheinheiligkeit sind allerdings nicht nur in der Politik, sondern auch bei Teilen der Presse anzutreffen.
Ob Politiker Vertrauen verdienen, hängt in erster Linie von der Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen, Standpunkte und Entscheidungen ab. Doch Frau Riekel interessiert sich nicht für die praktische Politik, sondern für das Privatleben der Politiker. „Wer hat noch Lust, die politischen Debatten in allen Einzelheiten zu verfolgen“, bekannte einst die Chefredakteurin. Statt sich in politische Details einzuarbeiten, bewegt sie sich mit bunten Bildern und Berichten lieber an der glitzernden Oberfläche. Damit lassen sich offenbar mehr Werbekunden und noch mehr Leser locken. Denn „Aufmerksamkeit ist der Nährboden des Erfolgs. Sie ist die härteste Währung unserer Zeit. Medien schaffen und lenken die Aufmerksamkeit eines Millionenpublikums“, stellte das auflagenstarke deutsche Klatschblatt einmal fest.
Da Millionen „Bunte“-Leser auch Millionen Wähler sind, lächeln Politiker bei Galas, Empfängen und Vernissagen immer wieder bereitwillig in die Kameras der Paparazzis oder lassen sich von ihnen in Villa oder Wohnzimmer gern ablichten. Riekels Worte „Wenn jemand in ‚Bunte’ nicht vorkommt, kommt er unter Umständen auch im öffentlichen Bewusstsein nicht vor“ animieren manche Politiker immer wieder zum Posieren und Menscheln. Wer jedoch auf sein mediales Erscheinungsbild mehr Wert legt als auf sein politisches, der darf sich über den voyeuristischen Blick des Boulevards ins Schlafzimmer allerdings nicht wundern. Die Leser sollten lieber auf Positionen und Pläne und nicht auf das Privatleben neugierig gemacht werden. Aber was bleibt dann noch von der Regenbogenpresse übrig?