Köhler, ausgebremst

Kolumne April 2010

Was haben die Bundesbürger kurz vor Ostern wieder gestöhnt. Nicht Blumen und Gräser schossen an den kühlen Feiertagen in die Höhe, sondern wie immer die Benzinpreise. Natürlich nicht zugunsten der Umwelt, sondern der Ölspekulanten.

Wer wollte da schon Horst Köhlers Vorschlag nach Erhöhung der Spritpreise zum Schutz des Klimas hören? Erst konnten Parteien und Medien sein Machtwort kaum noch erwarten, dann konnten sie es nicht ertragen. Orientierungslos nannten ihn die Einen, feige die Anderen. Als er im FOCUS-Interview auch unbequeme Wahrheiten verkündete, gab es von fast allen Seiten Prügel. Fragt sich nur, wer hier orientierungslos und feige ist. Und so überraschend die Debatte begann, so schnell war sie auch wieder beendet.

Welcher Bundespräsident hat es je gewagt, die Mehrheit des Volkes so gegen sich aufzubringen? Wer sich mit etwa 35 Millionen Autofahrern, ihren Beifahrern und deren Lobby anlegt, der beggeht hierzulande geradezu eine Todsünde. Da kann Köhler noch so vernünftige Argumente für „grünes Wachstum“, „umweltfreundlichere Autos“ und gegen die Verschwendung endlicher Erdölvorräte vorbringen. Politiker und Presse bremsen solche Vorstöße regelmäßig aus. Als vor zehn Jahren in Berlin Tausende für die Beibehaltung der Ökosteuer demonstrierten, richteten sich alle Kameras und das Interesse sämtlicher Medien allein auf die blockierenden Brummifahrer, die zur gleichen Zeit gegen zu hohe Spritpreise protestierten.

Seitdem hat sich kaum etwas geändert. Verkehrsminister Peter Ramsauer findet die Benzinpreise jetzt schon zu hoch und fürchtet nichts mehr als den „Tanz“ mit der Mineralölindustrie. Das hören ADAC, Automobilindustrie und Bild gerne und setzen ebenso gerne noch einen drauf. Ebenso beharrlich wie bedrohlich ziehen sie auch weiterhin gegen Umweltzonen, Abgasnormen und zu hohe Steuern zu Felde. Über die Aufhebung vieler Tempolimits auf Hessens Autobahnen dürfen sich die Lobbyisten und die Raser jetzt schon freuen. Dass nach Berechnungen des Umweltbundesamts bei einem deutschlandweiten Tempolimit von 120 Stundenkilometern jedes Jahr 3,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden können, kümmert Otto Normalraser nicht. 

Die meisten Verbraucher lenken erst ein, wenn man sie an ihrer empfindlichsten Stelle trifft. Am Geldbeutel. „Das Preissignal ist immer das stärkste Signal, damit Menschen ihr Verhalten ändern.“ Damit trifft der als Ökonom ausgewiesene Köhler voll ins Schwarze. Offensichtlich steigt schon jetzt die Nachfrage nach Hybrid-Fahrzeugen, wenn der Spritpreis die Grenze von 1,35 Euro überschreitet. Wie sähen also die Reaktionen aus, kostete ein Liter Benzin das Doppelte oder Dreifache. Anfangs würden alle protestieren, früher oder später aber doch auf Rad oder Bahn umsteigen. Oder aber auf verbrauchsoptimierte Autos mit alternativen, aus regenerierbaren Energien gespeisten Antrieben, deren Entwicklung mit den gewonnenen Steuergeldern gefördert und schärferen Gesetzen flankiert werden muss. Bloß auf das Umweltbewusstsein der Menschen zu vertrauen, damit sollte man besser nicht rechnen.  

Höhere Benzinpreise allein retten das Klima sicher nicht. Aber sie können ein Signal setzen. Köhler hat mit seiner klaren Botschaft einen wichtigen Anstoß gegeben. Ganz seiner Aufgabe und Verantwortung als Staatsoberhaupt gemäß, das alle Menschen und nicht nur eine bestimmte Klientel im Blick haben darf. Sei sie auch noch so groß.

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