Kolumne 8. November 2011
Ein großes deutsches Nachrichtenmagazin hat ein neues Haus bezogen. Das alte war offenbar zu klein oder seine Architektur hat dem Zeitgeist nicht mehr entsprochen. Wie dem auch sei. Was mich daran interessiert, ist das ökologische Bewusstsein, das der Bauherr den Architekten diktiert hat.
So geht in jedem der Redaktionsräume automatisch das Licht aus, wenn nicht innerhalb einer gewissen Zeit dem Bewegungsmelder ein Lebenszeichen übermittelt wird. Wer über der Tastatur seines Computers eingeschlafen ist, der wird nicht mehr gestört. Dunkelheit umgibt seine Träume, der Stromzähler dankt. Einen kleinen Fehler hat das System noch, denn wer sich im Nachdenken über einen Text nur geistig bewegt, der wird ebenso behandelt wie der Schläfer nebenan. Es gibt also Nachrüstungsbedarf. Eigentlich Diskussionsstoff für mehr als eine Woche ARD-Talkshows in gleißend hell ausgeleuchteten Fernsehstudios.
Doch jenseits aller Ironie finde ich es durchaus sympathisch, wenn ein neues Haus mit dem Anspruch gebaut wird, Energie zu sparen. Ich selbst bin ein, für mein Kollegen-Umfeld offenbar an Besessenheit grenzender, notorischer Stromabschalter. Wo nichts los ist, muss auch nichts leuchten. Mag man es als frühkindlich erfahrene Dauerprägung belächeln – die Kriegs- und Nachkriegsgeneration hat eben immer noch nichts zu verschenken. Elektrizität war knapp wie alle anderen Dinge des Lebens.
In den nächsten Jahren werden alle noch laufenden Atomkraftwerke abgeschaltet. Zeit, intensiver darüber nachzudenken, woher der Ersatzstrom kommen soll und wie die Großverbraucher von heute von den Energiesparaktivisten von morgen abgelöst werden können. Fest steht, dass die Einführung von Alternativen nicht erst beginnen kann, wenn das letzte Stück Lausitz ausgebaggert ist, und als verstromte Braunkohlenreserve in die Atmosphäre geblasen wurde. Windenergieparks entstehen auf den Meeren und überall im Land. Der Nutzung der Erdwärme wie der Sonnenkollektoren und verlustarmer Energieübertragung gehört die Zukunft.
Aber schon jetzt gilt, einen klugen, sparsamen Verbrauch der Energie als Lebensprinzip zu akzeptieren. Tag für Tag entstehen in Indien und China neue Kohlekraftwerke. Die westlichen Industrienationen treten keineswegs als Vorbilder auf. Wir laufen den Zielen einer weltweiten CO2-Emmission mit größer werdendem Abstand hinterher. Nach neuesten Erhebungen ist der globale CO2-Ausstoss im vorigen Jahr so stark gestiegen wie noch nie. Eine bedrohliche Last für den nächsten Weltklimagipfel Durban, die Folgekonferenz nach Kyoto.
Allein die Stand-by Schaltung von Geräten in der Konsumelektronik deutscher Haushalte verbraucht Jahr um Jahr den Strom, der einer Jahresleistung von drei Kernkraftwerken entspricht: 22 Milliarden Kilowattstunden. Netzgeräte, die für unsere Drucker, Laptops, Monitore den Strom aus der Steckdose auf 12 oder fünf Volt transformieren, liegen überall in den Wohnungen als kleine Heizgeräte herum, deren tägliche Abschaltung uns einfach zu mühsam erscheint. Wer erfindet für sie den intelligenten Bewegungsmelder, der diese Stromfresser erst anschaltet, wenn sie wirklich genutzt werden?
Vielen Dank, dass Sie bis hierher gelesen haben! Ich blende mich neuerdings immer öfter aus den ständigen Öko-Ermahnungen aus. Jedenfalls in all jenen Medien, die vom Sportteil bis auf die Titelseiten den umweltkriminellen Formel-1-Wahnsinn nun auch noch in Südkorea, Indien und vorauseilend demnächst in Austin und New York hymnisch feiern.