Ernte im Tank 

Kolumne 24. August 2012

Wer in den letzten Tagen zu viel zum Thema Biosprit gelesen hat, dem dreht sich der Kopf, als hätte er ein paar Gläser zu viel getrunken. Welchem Lobbyisten geht der Leser gerade auf den Leim? Welchen Argumenten offenbar konkurrierender Experten und Umweltorganisation darf er noch trauen? Bauernverbände wollen sich nicht das gute Geschäft zerreden lassen, das ihre Mitglieder mit der Produktion von Biokraftstoffen machen.

Man könne für beides sorgen – für den Tank und für den Teller. Und überhaupt gebe es ein gesundes Gleichgewicht zwischen der für Energie- und Ernährung genutzten Ackerfläche. Das mag bezweifeln, wer in diesen Wochen durchs Land fährt und außer Maisfeldern kaum noch anderes Grün vor Augen hat. Kein Wunder, wenn 45 Prozent des deutschen Bioethanols aus Mais gewonnen werden. Wenn ein paar Monate früher noch alles Gelb erschien, lag das am Raps, der, wenn ihn nicht die Schweine fressen, zu 40 % in Agrodiesel verwandelt wird. Den Diesel tanken auch jene Traktoren, die riesige Mengen Dünger auf die Felder bringen müssen, damit die von der Mais- oder Raps-Monokultur ausgepowerter Böden im nächsten Jahr wieder fit sind. Deshalb geht es auch dem Grundwasser nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Jahren, weil es inzwischen die Nitratüberversorgung übel nimmt. In Niedersachsen, wo fast unkontrolliert gedüngt werden kann, sind die Grundwasserressourcen schon zu zwei drittel überdurchschnittlich mit Nitrat belastet. In Schleswig-Holstein, warnte kürzlich der BUND, sehe es noch schlimmer aus. So wird uns der ausufernde Maisanbau einmal sehr viel Geld für die Aufbereitung von genießbarem Trinkwasser kosten. 

Es scheint einfach keinen goldenen Mittelweg mehr zu geben, um die weltweite Zunahme an Energiebedarf und Motorisierung per Substitution von Öl, Gas und Kohle durch nachwachsende Rohstoffe aufzufangen. Zumal die Agrarprodukte kostbare Ackerflächen beanspruchen, die eine wachsende Weltbevölkerung auch noch in Jahrzehnten mit ausreichend Nahrungsmitteln versorgen muss. Aus deutscher „wir haben ja von allem genug“-Perspektive ist das kein Problem. Aus der Sicht von permanenten Hungerkatastrophen heimgesuchter Völker sieht das schon anders aus. Greenpeace weist deshalb aus gutem Grund auf die bedenklich schrumpfende Weltreserve an Getreide hin. Es seien die niedrigsten Bestände seit zehn Jahren.

Noch lassen sich kaum Ansätze zu einer Lösung des Konflikts finden, wie Energie- und Agrarmarkt in eine Balance zu bringen sind, die den Nahrungsmittelbedarf auch der Armen dieser Welt angemessen berücksichtigt.
Das große Geschäft machen derzeit jene kriminellen Spekulanten, die auf Ernteausfälle gewettet hatten und von der schlimmsten Dürre, die die USA seit 50 Jahren heimsuchte, mit Gewinnen belohnt werden. Die Spekulation mit Agrarrohstoffen, an der auch deutsche Banken so lange beteiligt waren, bis der Schaden an ihrer Reputation öffentlich sichtbar wurde, gehört zu den Verbrechen, für die sich noch kein internationaler Gerichtshof zuständig fühlt. Auch wenn der Klimawandel, Bürgerkriege und Armut als Hauptursachen für den Hunger in Teilen der Welt verantwortlich gemacht werden, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, welchen Anteil jene „Kräfte des Marktes“ haben, die aus reinem Gewinnstreben und bloßer Gier auch aus einer Hungerkatastrophe noch ihren Schnitt machen.

PS: Mein Rat zur Debatte – Benzin und Biosprit zu sparen, mit PS-ärmeren PKW, also weniger sportlich und überhaupt bewusster und weniger zu fahren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert