Die Merkel-Falle

Kolumne 26. September 2013

In den Medien will der Jubel über Merkels Erdrutsch-Sieg kein Ende nehmen. Und das nicht ohne Grund. Schließlich haben sie selbst einen erheblichen Anteil an diesem Höhenflug. Sind sie doch längst nicht mehr nur Beobachter, Kommentatoren und Analytiker des politischen Geschehens, sondern handelnde Akteure.

Sie entscheiden, wer hochgejubelt, ignoriert, fallengelassen oder niedergemacht wird. Es liegt bei ihnen, welche Themen öffentlich verhandelt und welche gar nicht erst zur Sprache kommen. Sie verteilen die Noten. Da konnte die Opposition noch so deutlich Klartext reden, der mediale Daumen zeigte von Anfang an nach unten. Dabei war das Rudel schon bei der Kandidatenfindung aktiv beteiligt. Gemäß ihres Selbstverständnisses wollten sie durch öffentlichen Druck bestimmen, wer und wann für die Opposition ins Rennen geht. Um dann bis zum Wahltag die Parole vom verstolperten Start auszugeben. Es folgte die Klage über den müden Wahlkampf, den sie selbst mit zu verantworten hatten. 

Nein, mit dieser 4. Gewalt ist kein Staat mehr zu machen, jedenfalls keine Demokratie auf Dauer zu bewahren. Es wird kaum mehr aufgeklärt, sondern vernebelt. Da wird das Publikum ständig aufs Neue auf abstruse Nebenschauplätze gehetzt. So wurde in unendlicher Breite nicht etwa über die Inhalte des TV-Duells diskutiert, sondern über das Farbenspiel der Halskette der Kanzlerin und kurz darauf über die Fingerübung Peer Steinbrücks, die zum Gegenstand nationalen Interesses aufgeblasen wurde. Die Opposition konnte noch so sehr versuchen, Auseinandersetzungen über wichtige Sachthemen anzustoßen. Es wurde fast kritiklos zugelassen, dass sich die Bundesregierung vor jeder inhaltlichen Debatte drücken konnte.  

Die oft behauptete Entpolitisierung der Gesellschaft wurde in diesem Wahlkampf erschreckend deutlich. In diesem Dunstkreis konnte auch die neue AfD gar nicht so überraschend punkten. Dass der Umfrageterror jedes Argument erstickte, gehört zu den traurigsten Erfahrungen der letzten Wochen. Sozialdemokraten hatten noch nie einen leichten Stand. Aber was mit Peer Steinbrück gemacht wurde, war schon Demontage vom Feinsten. An vorderster Front immer mit dabei Der Spiegel, das alte neue Kampfblatt, jetzt mit BILD-Verstärkung. So war der Beitrag „Ansichten eines Clowns“ der Versuch einer politischen Hinrichtung. Der Gipfel der Heuchelei: Nachdem man bei einem bekennenden Nichtwähler zunächst einen Boykottbeitrag in Auftrag gegeben hatte, wurden die Leser anschließend mit dem Titel „Wie Nichtwähler die Demokratie verspielen“ erschreckt. Als sich Steinbrück schließlich allen Anfeindungen gegenüber als erstaunlich resistent erwies, wurde der Grüne Trittin wegen eines um Jahrzehnte zurückliegenden Flugblattes zum Abschuss freigegeben.

Dabei hätte es all dieser Attacken gegen die Opposition gar nicht bedurft. Das Modell der Merkel-Wohlfühl-Gesellschaft ist für die Konfliktscheuen und Ängstlichen des „Weiter so“ offensichtlich derart attraktiv, dass man ruhig ein wenig Chancengleichheit hätte zulassen können. Fazit: Die Opposition muss sich ernsthaft Gedanken machen, wie sie in Zukunft dieser Medienbarriere begegnet, will sie überhaupt noch eine Chance haben. Und das sehr bald. Denn natürlich wollen dieselben Akteure auch im Koalitionspoker das letzte Wort haben und jetzt als selbst ernannte „Sachwalter von Volkes Wille“ die SPD in die Merkel-Falle einer großen Koalition treiben. Die Leimruten sind längst gelegt.

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