Klaus Staeck: „Wir sind nicht die Prügelknaben“

(wir dokumentieren an dieser Stelle den Stand der Debatte um eine neue Große Koalition im November 2017!)
In der kommenden Woche will Bundespräsident Frank Walter Steinmeier weitere Gespräche mit der Union und der SPD führen. Könnte es doch noch klappen, wenn nicht mit Jamaika, dann mit der Großen Koalition? Der Künstler, Jurist, ehemals Präsident der Akademie der Künste in Berlin und SPD-Parteimitglied, Klaus Staeck, hatte vor der Bundestagswahl einen Wahlaufruf initiiert unter dem Motto „Für mehr Demokratie“ und damit eindeutig für die SPD unter Martin Schulz geworben. Und jetzt? Die Frage ist: Was will die SPD? Wofür steht sie in diesen Tagen?

Herr Staeck, am Mittag kam die Eilmeldung: Martin Schulz will die Mitglieder seiner Partei abstimmen lassen über die Beteiligung an einer Regierungsbildung. Ist das ein Signal in Richtung Große Koalition?

Klaus Staeck: Auf jeden Fall ist es ein sehr demokratisches Signal, eine faire Angelegenheit. Wir sind in einer schwierigen Situation, das weiß jeder, aber wir sind auch – wie oft gesagt wurde – nicht die Prügelknaben, wozu uns die Medien sehr gern machen wollen. Es ist doch absurd: Da verhandeln vier Parteien über Wochen, kommen zu keinem Ergebnis – und jetzt soll plötzlich die SPD schuld sein. Und Frau Merkel, die das alles zu verantworten hat, ist wieder fein heraus. Nein, da mache ich nicht mit. Weit über 1.000 Leute haben unseren Aufruf, den Sie erwähnt haben, unterschrieben. Wir wollen keine Große Koalition. Was für Konstellationen sich dann trotzdem ergeben, das wird man sehen. Und darüber die Leute abstimmen zu lassen, finde ich sehr fair.

In den letzten Wochen hatte sich die SPD strikt gegen eine Koalition ausgesprochen. Ist der heute angekündigte Mitglieder-Entscheid vielleicht auch für Martin Schulz eine Möglichkeit, einen Kurswechsel vorzunehmen, ohne sein Gesicht zu verlieren?

Staeck: Dass man eine neue Situation hat, das versteht jeder. Es gab einen kleinen gemeinsamen Nenner bei all den Leuten, die bei unserer Initiative mitgemacht haben, und der lautete: keine große Koalition mehr. Ich glaube auch nicht – da gibt es viele Varianten, die jetzt ins Spiel gebracht werden -, dass es zu dieser Großen Koalition kommen wird. Die SPD wäre geradezu selbstmörderisch, wenn sie mit Frau Merkel noch einmal in das selbe Koalitionsbett steigt, um dann noch schwächer daraus hervorzugehen. Nein, so sind auch meine lieben Genossinnen und Genossen nicht.

Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie auf gar keinen Fall eine Koalition mit der Union und auf gar keinen Fall eine Neuauflage der letzten vier Jahre.

Staeck: Ja. Man könnte auf die Idee kommen, dass Frau Merkel auch sagt: Nein, so etwas will ich auch nicht mehr! Ich würde jedem abraten, noch einmal mit Frau Merkel die selbe Kiste versuchen zu schaukeln. Das wäre für die SPD mit Sicherheit verheerend – da kenne ich mich ganz gut aus. Auch die CDU ist ja als Verlierer daraus hervorgegangen. Da eine Neuauflage zu machen und sich davon eine Erneuerung oder was auch immer zu versprechen – das halte ich für sehr kühn.

Wie sähe der Königsweg in dieser Situation aus?

Staeck: Sie werden miteinander reden, sie werden sich selber hoffentlich in einer etwas weniger dramatischen Rolle wiederfinden und sachlich über Inhalte reden. Das ist meine Bedingung. Wo man sagt: Diese fünf, zehn Punkte wollen wir in welcher Koalition auch immer verwirklichen. Und darüber die Mitglieder entscheiden zu lassen, das finde ich einen sehr demokratischen Weg. Und all das, was an Drohkulisse von außen aufgebaut wird, ist zumindest für das, was angeblich alle wollen, schädlich.

Das Interview führte Claudia Christophersen.

Das komplette Interview (Link zur Audiofassung am Ende des NDR-Beitrags).

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